Steuern: Angebot der Grünen an Kern

NATIONALRAT: KERN
NATIONALRAT: KERN(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Der Bundeskanzler will das Steuersystem umbauen und deutlich höhere Ökosteuern einführen. Die Grünen bieten ihm dafür Hilfe an - auch bei den Erbschaftssteuern.

Wien. Es bedurfte nicht erst der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), um ideologische Gräben in der Koalition aufzubrechen. Aber sie bestätigte den Eindruck, dass SPÖ und ÖVP nicht mehr miteinander können. SPÖ-Chef Bundeskanzler Christian Kern hatte in der FAZ einen radikalen Kurswechsel der europäischen Wirtschaftspolitik gefordert und sich dafür heftige Kritik der ÖVP eingehandelt: Finanzminister Hans Jörg Schelling bezeichnete den SPÖ-Chef als „linken Ideologieträger“, ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner rückte ihn im „Presse“-Gespräch in die Nähe des Kommunismus („Ich erkenne hier Tendenzen eines realen Sozialismus mit menschlichem Antlitz“). Kern selbst konterte gestern und bezeichnete die Kritik der Volkspartei als „Ausdruck einer bestimmten rechten Ideologie“.

In dieser Konstellation wird auch der Umbau des Steuersystems nur schwer möglich sein, den sich Kern wünscht und der unter anderem eine deutliche Erhöhung der Ökosteuern, eine Erbschaftssteuer und Vermögenssteuern bringen soll. Alles Punkte, bei denen die ÖVP nicht mitkann. Die ideologischen Gräben in der Regierung nützen nun die Grünen und bieten Kern Unterstützung bei einer Steuerreform an. „Wir haben ein fertiges Konzept für Ökosteuern“, meint Budgetsprecher Bruno Rossmann im Gespräch mit der „Presse“. „Wenn man will, kann man einen ersten Teil im Umfang von 2,4 Milliarden Euro bereits im Budget 2017 umsetzen.“

Vor allem mit seiner Idee, die Steuern auf fossile Energien (Treibstoff, Heizöl, Kohle) deutlich zu erhöhen, rennt Kern bei den Grünen offene Türen ein. „Dieser Schritt ist allein schon deshalb notwendig, um die Klimaziele zu erreichen“, betont Verkehrssprecher Georg Willi. Österreich liege derzeit bei umweltbezogenen Abgaben im EU-Vergleich im untersten Drittel (weniger als sechs Prozent am Gesamtsteueraufkommen). Dafür liege man bei lohnsummenbezogenen Steuern ein Viertel über dem EU-Schnitt.

Wie die SPÖ drängt Willi auf eine aufkommensneutrale Umgestaltung: Im gleichen Schritt, wie Ökosteuern erhöht werden, sollen Lohnsteuern gesenkt werden. Für die Schwerindustrie, die durch CO2-Steuern massiv belastet werden würde, müsse man sich Sonderregeln einfallen lassen. Ebenso für Pendler: „Sinnvoll wäre der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Wer aber nicht auf das Auto verzichten kann, soll nicht zusätzlich schwer belastet werden“, so Willi.

„Vermögenssteuern auch ein Thema“

In einem ersten Schritt würden unter anderem durch einen gleichen Steuersatz auf Diesel und Benzin, eine Lkw-Maut auch im nachgeordneten Straßennetz, eine Energieabgabe und CO2-Steuern 2,4 Milliarden Euro generiert werden, um die man den Faktor Arbeit entlasten könnte. In einem zweiten Schritt würde der Umfang der Steuerreform auf 4,1 Milliarden Euro steigen, wobei dafür CO2-Steuern im europäischen Umfeld geregelt werden müssten.

Auch in zwei anderen Punkten bieten die Grünen der SPÖ jene Unterstützung an, die sie von der ÖVP nicht bekommt: „Erbschaftssteuern gehören für mich zu jedem Steuersystem dazu“, betont Rossmann. Er schlägt Steuern ab einer Erbschaft in Höhe von 500.000 Euro vor. Und was ist mit den von der SPÖ gewünschten Vermögenssteuern? Rossmann: „Das ist auch ein Thema. Aber unser Erbschaftssteuermodell würde ohnehin in erster Linie die Reichen treffen.“

Leichtfried fordert unaufgeregte Diskussion

Kerns Parteikollege, Infrastrukturminister Jörg Leichtfried, forderte am Donnerstag im Ö1-„Morgenjournal" eine „unaufgeregte Diskussion auch über große Fragen". Zugleich stichelte er aber erneut in Richtung ÖVP. Im Gegensatz zur SPÖ seien beim Koalitionspartner nicht alle im „Team arbeiten", meinte Leichtfried im ORF-Radio. Räumte aber sogleich ein, dass die Zusammenarbeit auf sachlicher Ebene sehr gut funktioniere.

„Die Frage ob die Europäische Union mit ihrer eigentlich nicht vorhandenen Investitionspolitik dem Standort Europa mehr schadet als nutzt, ist durchaus legitim zu diskutieren", erklärte Leichtfried. Derzeit gehe es in Europa nicht gerecht zu, insbesondere beim Thema Steuern. Die SPÖ sei eine politische Partei, Kern habe klare Ideen. „Ich sehe kein Problem darin, das auch öffentlich zu diskutieren", sagte Leichtfried.

Zurück zu den Grünen. Mit diesen allein hat die SPÖ freilich keine Mehrheit für einen Umbau des Steuersystems. Die Oppositionspartei hofft daher auf Unterstützer im Nationalrat, etwa auf die Neos, deren Umweltsprecher sich ebenfalls bereits für eine ökosoziale Steuerreform ausgesprochen hat. Doch Budgetsprecher Rainer Hable bremst im „Presse“-Gespräch: Eine CO2-Steuer sei nur im europäischen Gleichklang sinnvoll. Zudem müsse ein Umbau des Steuersystems zuerst mit massiven Einsparungen beginnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2016)

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