James Comey: Ein unbequemer politischer Kopf

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Der FBI-Chef hatte sich schon den Begehrlichkeiten der Regierung George W. Bushs nach einem Lauschangriff widersetzt.

Wien/Washington. Hoch gelobt oder verdammt: Kurz vor der US-Wahl ist James Comey, der 55-jährige Vater von fünf Kindern und Ex-Columbia-Professor, mit einem Federstrich – einem kryptischen Schreiben an den Kongress – in den Strudel des Wahlkampfs geraten. Der FBI-Chef unterstrich mit seinem Beschluss, die Ermittlungen in der E-Mail-Affäre Hillary Clintons wiederaufzunehmen, seinen Ruf als unbequemer politischer Kopf. Schon als Vize-Justizminister unter George W. Bush hatte er sich dem Wunsch nach einem Abhörangriff widersetzt. Er eilte sogar ins Spital an das Krankenbett des Justizministers John Ashcraft, um dessen Unterschrift für einen solchen Akt zuvorzukommen.

Präsident Barack Obama hatte den Republikaner, der sich daraufhin als Unabhängiger deklarierte, 2013 für eine zehnjährige Amtszeit zum Chef des Inlandsgeheimdiensts bestellt, um so eine symbolische parteiübergreifende Geste zu setzen. Doch Comey hat Obama nicht nach dem Mund geredet, als er von einem Ferguson-Effekt gesprochen hat – einer Zunahme von Morden in den USA wegen der Angst der Polizei vor der Kritik, robust gegen mögliche Gewalttaten einzuschreiten. Er stieß das republikanische Lager vor den Kopf, als er im Juli die Einstellung der Untersuchungen in Clintons E-Mail-Affäre verkündete – freilich mit dem Hinweis auf Clintons „extrem fahrlässige“ Vorgangsweise. Und nun setzte er sich über eine Empfehlung der Justizministerin, Loretta Lynch, und über die Usance hinweg, nicht mehr im Wahlkampf-Finish zu intervenieren.

Pries Nancy Pelosi, Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, den baumlangen Chef des Inlandsgeheimdiensts (2,03 Meter) als „großen Mann“, so unterstellte ihm Harry Reid jetzt, das Gesetz zu brechen – just jener Reid, der ihm zuvor Integrität bescheinigt hatte. Das Weiße Haus hält sich bewusst aus dem Konflikt heraus.

Wie immer er entscheiden würde: James Comey wusste, dass er vor einem unauflöslichen Dilemma stand. Schon im Sommer war er seitens der Republikaner und des FBI intern unter Druck gekommen. Die Neuigkeiten über den Fund würden ohnedies an die Öffentlichkeit gelangen und ihn – so oder so – diskreditieren, lautete sein Kalkül. (vier)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2016)

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