Gemeinsames Europa als Antwort auf den Nationalismus

Konrad Adenauer. Der erste deutsche Kanzler nach dem Krieg wollte die Aussöhnung mit Frankreich und eine europäische Zusammenarbeit.

Berlin. Der erste deutsche Bundeskanzler nach dem Zweiten Weltkrieg (1949–1963) war der festen Überzeugung, dass nur eine Aussöhnung seines Landes mit Frankreich den künftigen Frieden in Europa sichern könne. Ohne Konrad Adenauers Begeisterung für das Projekt einer Europäischen Gemeinschaft wäre die heutige EU nie entstanden.

Seine Erfahrungen während des Nationalsozialismus waren für ihn prägend. Adenauer, der vor dem Krieg Oberbürgermeister der Stadt Köln war, wurde bereits vor Hitlers Machtergreifung von nationalsozialistischen Aktivisten verleumdet und diskreditiert. Sie warfen ihm antideutsche Ansichten, die Verschwendung öffentlicher Gelder und Sympathie für den Zionismus vor. Als er sich 1933 weigerte, die Stadt anlässlich eines Besuchs des Führers mit Hakenkreuzen zu schmücken, verlor er sein Amt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er mehrmals verhaftet. Adenauer orientierte sich stark an christlichen Werten und lehnte die Politik der ethnischen Ausgrenzung des Nazi-Regimes ab.

Als er zehn Jahre nach Kriegsende als Bundeskanzler die Gründung der Gemeinschaft für Kohle und Stahl im deutschen Bundestag verteidigte, argumentierte er mit der notwendigen Überwindung des Nationalismus. „Ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn dieser Anfang gemacht worden ist, wenn hier sechs europäische Länder, wie ich nochmals betone, freiwillig und ohne Zwang, einen Teil ihrer Souveränität auf ein übergeordnetes Organ übertragen, man dann auf anderen Gebieten diesem Vorgang folgen wird. Und dass damit der Nationalismus, der Krebsschaden Europas, einen tödlichen Stoß bekommen wird.“ (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

Am Anfang der Europäischen Union stand der Schuman-Plan

Robert Schuman. Der Franzose und überzeugte Europäer setzte auf die Gründung einer Montanunion, um neue Kriege in Europa zu verhindern.
Europa

Altösterreicher mit Hang zu internationalen Lösungen

Alcide De Gasperi. Italiens Ex-Premier vermittelte Europas Aussöhnung und war ein Verfechter einer gemeinsamen Verteidigungspolitik.
Europa

Ein Landwirt wollte, dass Europa nie mehr hungert

Sicco Mansholt. Der niederländische Sozialdemokrat entwickelte die Ideen für eine gemeinsame europäische Agrarpolitik.
Europa

Stefan Zweigs Erinnerungen an eine bessere Welt

Literatur. In der „Welt von Gestern“ beschreibt der im Exil lebende Dichter seine Vergangenheit in einem offenen, multiethnischen Europa, in dem Grenzen keine Rolle spielten.
Europa

Antidepressivum Churchill: „We need your help!“

Die Züricher Rede. „Wir müssen die europäische Völkerfamilie in einer regionalen Organisation neu zusammenfassen, die man vielleicht die Vereinigten Staaten von Europa nennen könnte.“ Churchill, 1946.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.