Alcide De Gasperi. Italiens Ex-Premier vermittelte Europas Aussöhnung und war ein Verfechter einer gemeinsamen Verteidigungspolitik.
Rom. So wie Adenauer in Deutschland erlebte auch der in Trient geborene Alcide De Gasperi die dunklen Seiten des Faschismus an der eigenen Haut. Nachdem die von ihm mitbegründete Italienische Volkspartei (Partito Popolare Italiano) 1926 durch die faschistische Führung unter Benito Mussolini aufgelöst wurde, landete De Gasperi im Gefängnis. Mithilfe der Kirche wurde er nach 18 Monaten freigelassen und erhielt im Vatikan Asyl.
Während seiner Tätigkeit als Bibliothekar im Vatikan entwickelte er Ideen zur Neuordnung (Idee ricostruttive), die später Grundlage für einen Neubeginn der politischen Arbeit in der christlich-demokratischen Partei wurden. Nach dem Krieg war der in der österreichisch-ungarischen Monarchie aufgewachsene De Gasperi von 1945 bis 1953 Premierminister. Er nahm an der Pariser Friedenskonferenz teil und handelte mit Österreich das Gruber-De-Gasperi-Abkommen zur Autonomie Südtirols aus.
Er vermittelte die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland und begeisterte sich für die Ideen von Robert Schuman und Jean Monnet zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft. De Gasperi galt als Verfechter einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die aber am französischen Veto scheiterte. In den letzten Jahren seines Lebens setzte er sich für die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ein. Nach seiner Ansicht sollte die Gemeinschaft die einzelnen Teilnehmerstaaten nicht ersetzen, sondern lediglich eine Plattform der engen Zusammenarbeit bieten. Die Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 erlebte er nicht mehr mit. Er starb 1954. (wb)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)