Christkindlmärkte: Kein Adventmarkt hinter Beton

Der Tag danach in Wien: große Betroffenheit, mehr Polizeipräsenz – und die Durchhalteparolen vom Nicht-Einschüchtern lassen.
Der Tag danach in Wien: große Betroffenheit, mehr Polizeipräsenz – und die Durchhalteparolen vom Nicht-Einschüchtern lassen.(c) APA/HERBERT-PFARRHOFER
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Die Polizei zeigt mehr Präsenz, Sicherheitskonzepte werden überprüft. Aber: Keine Absagen. Und auch der Silvesterpfad ist fix.

Wien. Ob es nun am Wetter oder an dem Anschlag in Berlin lag: Allzu viel los war am Wiener Christkindlmarkt auf dem Rathausplatz gestern, Dienstag, jedenfalls nicht. Dafür fielen vermehrt uniformierte Beamte und Kamerateams auf, die Besucher interviewten − zur Frage: Hat man nun Angst, oder nicht?

„Es schwingt im Hinterkopf mit, dass etwas passieren könnte“, sagt Matthias Prinz, Student und eigentlich aus der Steiermark. Andererseits: „Das könnte überall passieren, wo große Menschenmengen sind, insofern mache ich mir keine übertriebenen Sorgen.“ Sich nicht die Freude verderben zu lassen ist auch das Motto, das der Wiener Bürgermeister bei seinem gestrigen Weihnachtsempfang ausgab: „Wir haben 31 Christkindlmärkte in Wien, und ich will nicht, dass ein einziger abgesagt wird.“

Natürlich habe man wachsam zu sein, aber „man soll sich nicht seine Lebensgewohnheiten und seine Feste nehmen lassen, sonst hat der Terrorismus gewonnen“, so Häupl, der mehr Polizeipräsenz gut findet. Aber: Diese habe es auch in Berlin gegeben, und das habe die Tat nicht verhindert. „Ich will nicht, dass der Christkindlmarkt hinter mannshohen Betonbollern verschwindet“, sagt Häupl.

Keine Zufahrtssperren

Dass es hundertprozentigen Schutz nicht geben könne – dieses Mantra hört man, wie nach jedem Anschlag, von allen Seiten. Auch die Veranstalter der Märkte selbst denken nicht an Absagen – auch in Berlin erfolgte der Aufruf an die Betreiber am Tag nach der Tat nicht zu öffnen vor allem nur aus Rücksichtnahme auf die Opfer. Polizei und Innenminister verlautbarten hierzulande ebenfalls, es gebe keinen Grund, Märkte zu meiden.

Allerdings werden in Wien nicht nur auf den Christkindlmärkten, sondern überhaupt an neuralgischen Punkten, an denen größere Menschenansammlungen erwartet werden, mehr Beamte präsent sein, hieß es vonseiten der Wiener Polizei. Das betrifft Märkte, Einkaufsstraßen, aber auch diplomatische Vertretungen, Regierungsgebäude und Ähnliches. Gemeinsam mit den Wiener Christkindlmärkten werden Sicherheitskonzepte überprüft. Auch der Silvesterpfad wird stattfinden, eine Absage stehe nicht im Raum, auch gibt es keine neue Einschätzung der Gefährdungslage. Diese Woche gibt es jedenfalls die übliche Lagebesprechung der Veranstalter mit der Polizei.

Auf dem Christkindlmarkt am Rathausplatz bleibt vorerst jedenfalls alles beim Alten: Besondere Sicherheitsmaßnahmen (etwa die Parkgarage beim Rathaus sperren zu lassen) sind bis dato nicht geplant. Gibt es Empfehlungen der Polizei, werde man diese selbstverständlich umsetzen, sagt Sprecher Andreas Zenker. Derzeit setzen die Betreiber auf das Sicherheitskonzept aus privatem Sicherheitsdienst, Kooperation mit der Polizei, einer Sicherheitszentrale auf dem Markt, die für Standler jederzeit erreichbar ist. Details will man aus taktischen Gründen nicht verraten.

Aber so viel ist klar: Einlasskontrollen wie während der EM am Rathausplatz, Taschenkontrollen oder Rucksackverbote wie auf dem Oktoberfest, werde es nicht geben. Das sei im Advent kaum praktikabel. Auch Zufahrtssperren sind nicht vorgesehen.

Selbst Poller sichern nicht

Ähnlich lauten die Konzepte anderer Märkte in Wien und den Landeshauptstädten. Mehr Polizeipräsenz, aber: Garantien gebe es halt nicht, die (meist unbewaffneten) privaten Sicherheitsleute könnten einen Anschlag nicht verhindern. Terrorabwehr sei Sache der Polizei, nicht privater Wachleute. „Es gibt zu viele Möglichkeiten“, sagt Wolfgang Haider, Obmann des Vereins Salzburger Christkindlmarkt. Gegen Einzelne, die Böses planen, sei man machtlos.

Auch Poller, wie es sie in der Salzburger Innenstadt oder beim Wiener Christkindlmarkt gibt (zumindest von der Ringseite her gibt es Ähnliches), schützen nur bedingt. Zwar ist es schwer, mit einem Laster durchzukommen, aber, so ein Wiener Veranstalter, dann „nimmt der halt einen Rucksack mit Sprengstoff. Wie willst du das im Advent verhindern?“ Die Standler seien alle extrem betroffen, sagt er, aber: „Trotz allem Mitgefühl: Wir können kein Betonkondom über die Veranstaltung ziehen.“

AUF EINEN BLICK

Die heimischen Christkindlmärkte überprüfen in Zusammenarbeit mit der Polizei nun abermals ihre Sicherheitskonzepte für die finalen Tage – Einschränkungen wie Zutritts- oder Taschenkontrollen sind aber nicht vorgesehen. Auch der Wiener Silvesterpfad soll stattfinden wie geplant. Die Polizei will nun mehr Präsenz an Orten zeigen, an denen Massenansammlungen erwartet werden.

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Wir gedenken der Opfer und Menschen in Berlin.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2016)

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