Zukunft von Ceta bleibt ungewiss

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Für die vorläufige Anwendung des Abkommens EU/Kanada bedarf es nur noch der Zustimmung des Europaparlaments. Doch wird es in Mitgliedstaaten gestoppt?

Brüssel/Wien. 562.552 Österreicher haben das Volksbegehren gegen den europäisch-kanadischen Freihandelspakt Ceta unterzeichnet– ein respektables Ergebnis angesichts der Tatsache, dass Ceta primär auf europäischer Ebene verhandelt und ratifiziert wurde und grosso modo in den Kompetenzbereich von EU-Kommission, Europaparlament und Rat fällt. Nichtsdestoweniger fordern die Sympathisanten des Volksbegehrens das Ende bzw. die Neuverhandlung des Abkommens: Während die Grünen für den heutigen Mittwoch eine Dringliche Anfrage im Nationalrat ankündigten, forderte die FPÖ eine (bindende) Volksabstimmung über den Pakt mit Kanada – sowie gegen das (derzeit ohnehin auf Eis liegende) Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP mit den USA.

Dass nationale Legislativen bei Ceta mitsprechen, hat mit der Natur des Abkommens zu tun: Aufgrund seines Umfangs gilt Ceta als ein „Gemischtes Abkommen“. Soll heißen: Jene Aspekte des Pakts, die über die Kompetenzen der EU-Kommission hinausgehen (die Brüsseler Behörde hat das Pouvoir, Handelsvereinbarungen im Namen der Mitgliedstaaten zu treffen), müssen auf nationaler Ebene ratifiziert werden. Bei Ceta geht es vor allem um Schutzklauseln für Investoren sowie um Teile der Verkehrspolitik und sogenannte Portfolioinvestitionen (also das Halten von Unternehmensanteilen ohne aktive Einflussnahme auf die Geschäftspolitik des Unternehmens).

Wie geht es also weiter mit dem kanadisch-europäischen Abkommen? Derzeit deutet vieles darauf hin, dass Ceta ein ewiges Provisorium bleiben könnte. Da der Handelsausschuss des Europaparlaments grünes Licht gegeben hat, wird im Februar im Straßburger Plenum über Ceta abgestimmt. Fällt das Votum positiv aus, wird der Pakt zur vorläufigen Anwendung kommen – in Kraft treten also nur jene Teile, die ausschließlich unter die Kompetenz der europäischen Institutionen fallen. Damit Ceta definitiv bewilligt ist, müssen alle nationalen (sowie die befugten regionalen) Parlamente der EU den „gemischten“ Teil des Abkommens ratifizieren. Danach sieht es freilich momentan nicht aus.

Über das Fortbestehen von Ceta im (wahrscheinlichen) Fall einer unvollständigen Ratifizierung scheiden sich die Geister. Optimisten gehen davon aus, dass der Großteil des Abkommens aufrechtbleibt, und verweisen auf das multilaterale Handelsabkommen Gatt, das jahrzehntelang ein Provisorium geblieben ist, bis es durch die Gründung der Welthandelsorganisation WTO ersetzt wurde. Diese Interpretation ist aber umstritten: Stefan Griller, Europarechtsexperte an der Universität Salzburg, warnt davor, dass noch jedes EU-Land das Inkrafttreten des gesamten Abkommens blockieren könnte. „Wenn beispielsweise die Wallonien und damit Belgien die Ratifizierung verweigert, dann kann das gesamte Abkommen nicht abgeschlossen werden. Damit könnte auch das vorläufige Inkrafttreten nicht weitergeführt werden.“ Für künftige Verträge dieser Art schlägt der Experte deshalb eine Zweiteilung vor: einen Teil, über den die EU-Organe (EU-Parlament und Rat der EU) entscheiden, und einen kleineren Teil, der die nationale Kompetenz betrifft. Dieser würde dann von den nationalen und regionalen Parlamenten abgestimmt werden. „Wir haben derzeit nur eine Überbrückungskonstruktion bis zur Ratifizierung.“ Wenn sie scheitere, scheitere alles.

Stimmt das Europaparlament Ceta im Februar zu, kann das Abkommen jedenfalls vorläufig weiter angewandt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2017)

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