Halb Amerika ignoriert Trump

Donald Trump führt die USA mit seiner Abkehr vom Klimaabkommen in die Isolation.
Donald Trump führt die USA mit seiner Abkehr vom Klimaabkommen in die Isolation.(c) imago/ZUMA Press (Cheriss May)
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Mehrere US-Bundesstaaten und Städte wollen die Verpflichtungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes auch nach Donald Trumps Ausstieg aus dem Pariser Abkommen einhalten.

Washington. Jerry Brown reist nach China. Diese Tatsache würde in normalen Zeiten kaum registriert, denn der Besuch des Gouverneurs von Kalifornien in Beijing wäre höchstens von lokalem Interesse. Doch der von US-Präsident Donald Trump verkündete Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimapakt verleiht der Visite des 79-jährigen Brown eine neue Bedeutung: Der Gouverneur ist ein prominenter Vertreter einer breiten Bewegung in den USA, die Amerikas Verpflichtung zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes auch ohne Beitrag von Trumps Bundesregierung einhalten will. In den USA deutet sich eine parallele Klimapolitik an, die den Vorgaben des Weißen Hauses nicht folgen will.

So wie Trumps Politik den krisengeplagten Europäern unabsichtlich einen neuen Ansporn für gemeinsames Handeln gibt, motiviert sie auch seine Gegner zu Hause in den USA. Bisher war schon bei der Einwanderungspolitik zu beobachten, dass sich einige Bundesstaaten und Städte offen gegen den Präsidenten stellen. Nun kommt die Klimapolitik als weitere Bühne für den Widerstand gegen Trump hinzu.

Bloomberg springt in der UNO ein

Seit Jahren schon setzt sich der Kalifornier Brown für einen Plan ein, bei dem sich Länder, Provinzen und Kommunen freiwillig auf ehrgeizige Klimaziele festlegen. Bisher hat er rund 170 Teilnehmer zusammen – darunter sind souveräne Staaten wie Kanada und Mexiko, aber auch Stadtverwaltungen und Provinzregierungen. In China wolle Brown nun ebenfalls die Werbetrommel für die Initiative rühren, meldete das Magazin „Politico“.

Während Brown von der US-Westküste aus in Richtung China aufbricht, öffnet Michael Bloomberg an der Ostküste seine Geldbörse. Der Milliardär und New Yorker Ex-Bürgermeister will 15 Millionen Dollar aus den Mitteln seiner Wohlfahrtsorganisation Bloomberg Philanthropies an die UNO überweisen und damit den Betrag ausgleichen, den das UN-Klimasekretariat durch Trumps Ausstiegsbeschluss verliert.

Bloomberg ist zudem die treibende Kraft hinter einer Bewegung aus Bundesstaaten, Großstädten, Unternehmen und Akademikern, die Amerika auf Klimakurs halten will. Bisher sind laut „New York Times“ mehrere Dutzend Bürgermeister, drei Gouverneure, über 100 Firmen und 80 Universitätsrektoren an Bord. Die Gruppe will Klimadaten sammeln und diese bei der UNO melden. Damit wird Trumps Rückzug aus dem Klimapakt schlicht und einfach ignoriert. „Wir tun alles, was Amerika getan hätte, wenn wir beim Vertrag geblieben wären“, sagte Bloomberg.

Brown und Bloomberg werden damit zu Gesichtern einer Spaltung der US-Klimapolitik. Nur etwa die Hälfte der amerikanischen CO2-Ziele kann von Trumps Zentralregierung beeinflusst werden, etwa durch landesweite Vorschriften zum Benzinverbrauch von Autos, hat die „New York Times“ ermittelt. Viele andere Maßnahmen sind Sache von Bundesstaaten oder Kommunen. So will sich Kalifornien als bevölkerungsreichster und wirtschaftlich stärkster Staat in den USA in den kommenden 20 Jahren ganz von fossilen Energiequellen lossagen. Allein dies wird die Gesamtbilanz der USA stark prägen.

Unternehmen wenden sich ab

Die neue Klimaschutzbewegung in den USA erhält viel Unterstützung von einigen der größten Unternehmen des Landes. Firmen wie Apple, Google, Facebook oder Disney kritisieren Trumps Entscheidung heftig und wollen für sich selbst weiter auf saubere Energie setzen. Mehrere hochrangige Präsidentenberater aus der US-Wirtschaft ziehen sich aus Protest gegen den Ausstieg aus den Beratungsgremien in Washington zurück.

Auf der anderen Seite der Klimaspaltung steht Stephen Bannon. Der populistische Chefstratege Trumps arbeitete wochenlang daran, den Präsidenten zur Aufkündigung des Klimavertrages zu bewegen. Bannon habe Trump immer wieder mit Zahlen und Statistiken versorgt, die Arbeitsplatzverluste und andere Nachteile für die USA aufgrund des Pariser Abkommens vorhersagten, berichtete die „Washington Post“. Andere Präsidentenberater hätten die Angaben als falsch, überholt oder einseitig bezeichnet, doch Trump zeigte sich unbeeindruckt.

„Amerika zuerst“ – „Amerika allein“

Bannon, der zuletzt einige Niederlagen im Machtkampf gegen die Realpolitiker im Weißen Haus einstecken musste, kann damit einen wichtigen Erfolg verbuchen. Er hat gezeigt, wie radikal der Präsident den Schlachtruf „Amerika zuerst“ auslegt. Ober-Realo und Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster hatte noch kürzlich erklärt, „Amerika zuerst“ bedeute nicht „Amerika allein“. Die Klima-Entscheidung, mit der sich die USA gegen den Rest der Welt stellen, demonstriert nun aber, dass „Amerika zuerst“ eben doch auch „allein“ einschließt.

Diese Maxime könnte sich demnächst auch in anderen Feldern der Politik zeigen. Trump hat Nachverhandlungen für andere internationale Verträge angekündigt und Deutschland und anderen Staaten indirekt gedroht. Für den Präsidenten geht es vor allem darum, seine globalisierungsfeindliche und nationalistische Wählerbasis zu bedienen. Dass die Rhetorik nicht immer der Wirklichkeit entspricht, ist für ihn nicht wichtig. So kündigte er jetzt die Eröffnung einer Kohlegrube in Pennsylvania an – das Projekt wird aber höchstens 100 neue Jobs schaffen.

Abschied von US-Führungsrolle

Trumps Konzentration auf amerikanische Wählergruppen hat nach Einschätzung von Kritikern einen Nebeneffekt, der in seiner Reichweite erst langsam klar wird: Der frühere Verteidigungsminister und Ex-CIA-Chef Leon Panetta wirft Trump vor, er habe mit dem Ausstieg aus dem Pariser Vertrag die „70-jährige Ära der amerikanischen Führungsrolle“ in der Welt beendet. Trumps Politik sei eine Gefahr für die strategischen Interessen der USA und für das Ansehen des Landes auf der ganzen Welt.

Kritiker sehen das Risiko, dass die Supermacht Amerika wegen Trumps Nabelschau die weltpolitische Initiative anderen Akteuren wie China und der EU überlässt. Trump habe aus dem „Amerika zuerst“ ein „Amerika isoliert“ gemacht, analysierte die „New York Times“. Die Klimapolitik des Präsidenten sei ein Geschenk an China.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2017)

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