Leitartikel

Pittsburgh statt Paris? Der Denkfehler von Donald Trump

Ein paar Grad Durchschnittstemperatur mehr in der Sahelzone bedeuten, dass die Wüste sich Hunderte Kilometer weiter ausdehnt.
Ein paar Grad Durchschnittstemperatur mehr in der Sahelzone bedeuten, dass die Wüste sich Hunderte Kilometer weiter ausdehnt.(c) imago/allOver-MEV (imago stock&people)
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Der Klimawandel wird in den Industrieländern verursacht, aber in den Entwicklungsländern gespürt. Das macht Trumps Entscheidung so perfide.

Er hat es jetzt also wirklich getan. Am Donnerstagabend machte US-Präsident Donald Trump sein Wahlversprechen wahr und kündigte den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen an. Die direkten Folgen dieses Schritts werden erst einmal überschaubar bleiben. Denn erstens kann ein Ausstieg laut dem Vertrag nicht sofort erfolgen, und zweitens ist auch das Pariser Abkommen ein typischer multilateraler Kompromiss. Jedes Land kann nämlich eigene, nicht bindende, nationale Reduktionsziele melden. Bisher reichen diese jedoch nicht einmal aus, um das angestrebte Ziel einer maximalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius auch nur annähernd zu erreichen.

Dennoch ist die Ankündigung Trumps natürlich ein fatales Signal an die US-Wirtschaft und auch an andere – dem Klimawandel skeptisch gegenüberstehende – Länder. Denn gerade im Energiebereich haben Investitionen eine Amortisationsdauer von Jahrzehnten. Entscheidungen, ob beispielsweise neue Kohlekraftwerke gebaut werden, hängen also sehr wohl auch von der grundsätzlichen politischen Zielrichtung ab.

Es bleibt also nur zu hoffen, dass Trumps Kehrtwende einfach zu spät kommt. Denn gerade im Verkehrsbereich dreht sich die Industrie allgemein langsam in Richtung Elektromobilität und autonom fahrender Car-Sharing-Autos. Die Zukunftsvisionen von Google, Uber und Tesla wird auch der Mann im Weißen Haus nicht ändern. Zudem werden Windkraft und Fotovoltaik aufgrund technologischer Verbesserungen immer günstiger, sodass sie zunehmend auch wirtschaftlich konkurrenzfähig sind. Und nicht zuletzt haben gerade die USA in den vergangenen Jahren ihre Kohlendioxidemissionen deutlich gesenkt, weil sie Kohle durch billiges Schiefergas ersetzt haben. Eine Entwicklung, die ebenfalls noch weitergehen wird. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass gerade Teslas Erfolg erst durch Milliardensubventionen der Regierung Obamas möglich gemacht wurde.

Begründet hat Trump seine Entscheidung mit der Aussage, dass ihm die Menschen von Pittsburgh näher seien als jene von Paris. Eine populistische Ansage, die auch komplett an der Realität vorübergeht. Denn der Klimawandel ist weder in Pittsburgh noch in Paris ein wirkliches Problem. Und das macht die ganze Sache auch so schwierig. Denn die Verursacher der Kohlendioxidemissionen in den Industriestaaten können der globalen Erwärmung relativ locker entgegenblicken. Bis auf ein paar Hoteliers in tief gelegenen Skigebieten wird man beispielsweise in Österreich davon nicht sonderlich negativ betroffen sein. Und selbst ein Land wie Holland, für das ein Ansteigen des Meeresspiegels direkt existenzbedrohend ist, hat genügend Geld, um die Deiche ein wenig höher aufzuschütten.


Anders sieht das in den Entwicklungsländern des Südens aus. Wenn in Bangladesch oder dem Sudan die Temperatur steigt, können die Menschen nur hilflos dabei zusehen. Und anders als ein paar Schneetage weniger im Winter, können die Konsequenzen dort das tägliche Leben massiv betreffen. Das Problem sind nämlich nicht großartige Stürme oder versinkende Inseln, wie es Populärdokumentationen zu dem Thema TV-gerecht gern darstellen. Die Gefahr des Klimawandels ist viel stiller.

Ein paar Grad Durchschnittstemperatur mehr in der Sahelzone bedeuten, dass die Wüste sich Hunderte Kilometer weiter ausdehnt. Wer in dieser Zone bisher lebt? Pech gehabt. Ein Anstieg des Meeresspiegels an dicht besiedelten Küsten eines Entwicklungslandes bedeutet, dass das Grundwasser plötzlich versalzt wird und die Trinkwasserversorgung zusammenbricht. Wer dort lebt? Pech gehabt.

Schon heute verlassen in Afrika, Asien und Lateinamerika Millionen Menschen ihre Heimat, um ein wirtschaftlich besseres Leben in den Ländern des Nordens zu finden. Werden durch den von den Industrieländern hauptsächlich verursachten Klimawandel die Lebensbedingungen in diesen Ländern weiter verschlechtert, wird diese Zahl noch weiter zunehmen. Den Effekt werden wir alle spüren. Sei es in Pittsburgh oder in Paris.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2017)

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