Die geschwächte britische Premierministerin bildet Kabinett nur minimal um.
London. Nach der Schlappe bei den vorgezogenen Parlamentswahlen ist die britische Premierministerin Theresa May eine Regierungschefin auf Abruf. Noch bevor das neue gewählte Unterhaus am Dienstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten wird, musste sich May ihrer Fraktion stellen. Die Erwartungen konnten höher nicht sein: „Sie muss die beste Darbietung ihres Lebens liefern“, um ihre eigenen Abgeordneten zu überzeugen, erklärte ein Tory-Mandatar. „Es gibt hier einiges an Verletzung.“
Weiterhin stand zunächst nicht fest, wie May in Zukunft regieren wollte. Nach der Parlamentswahl hat sie nur 318 der 650 Sitze im Unterhaus. Verhandlungen mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) sollten erst heute auf höchster Ebene abgeschlossen werden. Dafür wird ein Preis zu bezahlen sein. Weil dieser bis zuletzt nicht feststand, musste May die für kommenden Montag angesetzte Regierungserklärung „für einige Tage“ verschieben. Über das Programm muss das Parlament abstimmen. Eine Niederlage käme einem Misstrauensvotum gleich und würde einen sofortigen Rücktritt Mays unausweichlich machen.
Michael Gove kehrt zurück
Wie geschwächt die Premierministerin nach der Wahl ist, zeigte auch die Regierungsumbildung. Statt der großen Erneuerung nahm May nur minimale Erneuerungen vor, und einige davon wohl nicht freiwillig. Während die Bestellung des bisherigen Sozialministers Damian Green zum Kabinettschef allseits begrüßt wurde, verwunderte die Rückkehr von Michael Gove.
Green ist ein konsensorientierter, allseits geachteter Pro-Europäer. Er wird in Zukunft das Kommando in der Downing Street übernehmen, wo er für einen „kollegialeren und kooperativeren Stil“ sorgen soll. Gove lieferte sich in der Vergangenheit mit May, als beide unter David Cameron Minister waren, wüste Auseinandersetzungen und gilt als einer der größten Intriganten der britischen Politik. Im Vorjahr fiel er Boris Johnson in letzter Sekunde beim Griff nach der Macht in den Rücken. Nun werden beide wieder am selben Kabinettstisch Platz nehmen.
Johnson ante portas
Während die Regierungserklärung verschoben werden musste, bekräftigte Brexit-Minister David Davis, dass die ebenfalls für nächsten Montag geplanten Gespräche über den EU-Austritt wie vorgesehen beginnen würden. Zu den Forderungen in Großbritannien seit der Wahl, den harten Brexit-Kurs aufzuweichen, sagte Davis: „Wir wollen nicht aus dem Binnenmarkt austreten. Es sind die Europäer, die uns sagen, dass dies nicht mit dem Ende der Personenfreizügigkeit vereinbar ist.“
Im neuen Kabinett May stehen 21 Pro-Europäer sieben Brexit-Anhängern gegenüber. Dennoch meint Kevin Featherstone von der London School of Economics: „Der Einzige, der eine Kehrtwende unter den Tories weg von einem harten Brexit durchsetzen könnte, ist Boris Johnson.“ Außenminister Johnson sicherte aber am Sonntag May seine uneingeschränkte Unterstützung zu. Vorerst.
Auf einen Blick
Am nächsten Montag sollte die britische Königin im Parlament die Regierungserklärung verlesen. Doch „The Queen's speech“ muss verschoben werden. Premierministerin Theresa May, die bei den Wahlen die absolute Mehrheit der Tories verspielte, muss erst die Duldung ihrer Minderheitsregierung festzurren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2017)