Drogen

Darknet: Heroin aus dem Briefkasten

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Bücher, Schuhe, Suchtmittel: Auch der Drogenhandel wandert zunehmend ins Internet. Aber die vermeintliche Sicherheit täuscht.

Wien. Es sind nur ein paar Klicks im eigenen Browser, der den Zugang zum Darknet öffnet. Tippt man die URLs der einschlägigen Plattformen ein, stehen Marktplätze à la Amazon oder eBay offen: „Uncut pure Heroine“, 0,5 Gramm, 22 Dollar, „Be careful, Product is very strong“, steht als Warnung dabei.

Der Versand (mitunter an falsche Namen und Adressen, da tauschen Konsumenten Tricks in Foren aus) nach Österreich in zwei bis vier Tagen, Bezahlung per Bitcoin. Es gibt Bewertungen, Such-Tools für beste Preise, Diskussions- und Feedbackforen, die suggerieren, man könne sich darauf verlassen, gute Qualität zu erhalten. Man findet auf diesen Plattformen – es gibt etwa 50, die den Markt dominieren – alles. Von Crystal Meth bis Psychopharmaka, Potenzmittel, das ganze Spektrum, in wenigen Klicks.

Aber das soll keine So-kaufe-ich-im-Darknet-Anleitung sein, denn der Nachahmungseffekt sei mit ein Grund dafür, dass der Drogenhandel im Internet massiv wächst, warnen Experten. Dieses Wachstum beobachtet man seit fünf Jahren, seit zwei Jahren wird der Handel professioneller. Mittlerweile habe es eine kritische Größe, die breite Masse der Konsumenten, erreicht: „Das ist nicht nur ein Trend, das wird bleiben“, sagt Steve Müller, Leiter der Beratungsstelle „Checkit!“ und des Bereichs Suchtprävention der Suchthilfe Wien. „Letztlich ist es eine verspätete Reaktion auf das Internet. Nachdem alles andere online gekauft wird, ist es nur logisch, dass das auch mit Drogen passiert.“

Wie groß der Digitalanteil am Drogenhandel in Österreich ist, lasse sich unmöglich sagen, meint Müller. International gehen Schätzungen von zehn bis 20 Prozent aus. In einer Studie im Auftrag der niederländischen Regierung von 2016 wird der monatliche Umsatz mit Drogen im Darknet auf bis zu 18,7 Mio. Euro geschätzt. Gegenüber geschätzten zwei Mrd. Euro monatlich im Offlinehandel allein in Europa ein kleiner Anteil. Aber die Märkte wachsen zusammen: Etwa indem Dealer ihre Ware online beziehen und persönlich weiterverkaufen.

Der Handel verlagert sich zunehmend ins Netz – und wird zum Riesenproblem: Wiens Drogenkoordinator Michael Dressel etwa warnte kürzlich, man spreche stets über Straßenhandel, dabei wachse im Internet das größere Problem. Auch das Innenministerium will stärker dagegen vorgehen. Immerhin wurde bei neun Drogentoten in Österreich in den vergangenen drei Jahren ein Zusammenhang mit Onlinehandel festgestellt. Erst jüngst wurden in Österreich 27 Kilo Suchtgift im Rahmen der „Operation Porto“ sichergestellt. Im Bundeskriminalamt kümmert sich seit 2015 eine Taskforce um diese Themen – seither wurden knapp 700 Menschen angezeigt, die online Drogen gekauft hatten. Dennoch gilt das Darknet bei Konsumenten als relativ sichere Quelle. Ein Irrglaube, sagt Müller. Auch Konsumenten werden angezeigt. Und auf die Reinheit der Substanz könne man sich mitnichten verlassen, nur weil ein Verkäufer gut bewertet ist.

Der Kauf so leicht wie nie

Trotzdem, Drogen zu kaufen ist dadurch so leicht wie nie. „Im Endeffekt kann jeder überall alles haben, was er will“, sagt Müller. Und warnt vor neuen Konsumentengruppen: War Drogenkonsum bisher, in der Elektromusikszene etwa, meist in einen Freundeskreis eingebunden, in dem erfahrenere Konsumenten warnen und man aufeinander schaut, entstehe eine neue Hochrisikogruppe: Einzelgänger, deren Konsum nicht sozial eingebunden ist. Oder Leute ohne Drogenerfahrung, die mit 40 draufkommen, sie probieren das jetzt, da man alles online kaufen kann, auch einmal.

Denn letztlich bedeuteten der Onlinehandel und die quasi freie Verfügbarkeit nicht weniger, als dass der Konsum über Gesetze kaum mehr gesteuert werden kann. Das stellt auch die Präventionsstellen vor neue Probleme, aber da sind die Studien und Projekte zur Online-Prävention erst am Anfang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2017)

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