Gesundheitsgespräche

"Ich will hier in Österreich meinen Beitrag leisten"

Suad Mohamed
Suad Mohamed(c) Katharina Rossboth
  • Drucken

Die Somalierin Suad Mohamed hat beim Roten Kreuz eine neue Familie gefunden – nachdem ihre richtige Familie Syrien weiterhin nicht verlassen kann.

Die positive Energie, die Suad Mohamed ausstrahlt, ist verblüffend. Ihr Lebensmotto lautet, sich stets nur mit dem Positiven zu beschäftigen. „Es gibt immer eine negative und eine positive Seite: Wenn man die negative wählt, wird niemals etwas Gutes herauskommen“, ist sie überzeugt. Also habe sie sich dazu entschlossen, das Positive in den Mittelpunkt ihres Lebens zu rücken.

Ihr Motto, das sie mit einem strahlenden Lächeln verkündet, wird noch viel verblüffender, wenn man ihre Lebensgeschichte hört – denn die Stationen ihres bisherigen Lebens klingen wie eine Reise durch das „Who is Who“ der schlimmsten Orte auf dieser Welt: Geboren wurde sie in Somalia, von wo ihre Familie bei Ausbruch des Bürgerkriegs 1991 nach Saudi Arabien floh. Als dort ihre Visa abliefen, ging die Familie weiter nach Syrien. Dort wollte Suad Mohamed studieren, bekam dann aber einen Studienplatz in Pakistan, wo sie Pharmazie studierte und in Spitälern und in der Industrie arbeitete. Als sie nach sechs Jahren zurück zu ihrer Familie nach Damaskus wollte, war dort der Krieg ausgebrochen – ihr blieb daher nur der Weg zurück nach Somalia.

„Ich habe mit meinem Wissen versucht, eine Apotheke aufzubauen. Als alleinstehende und zugleich gebildete Frau wird man in Somalia aber nicht akzeptiert.“ Somalia ist seit bald 30 Jahren Kriegsgebiet, dort funktioniert kaum etwas. „Pharmazie ist für viele ein reines Geschäft: In China, Indien oder Pakistan werden abgelaufene Medikamente billig gekauft und an die Menschen in Somalia weiterverkauft.“ Wenn man sie ohne Verschreibung verwendet, werde man davon nur noch kränker. Ihrer Initiative wurden viele Knüppel zwischen die Beine geworfen, zudem wurde die Sicherheitslage immer prekärer – und Schutz vor den korrupten Behörden konnte sie keinen erwarten. Also warf sie nach einem Jahr das Handtuch und entschloss sich, wegzugehen. Wieder einmal.

Über einen omanischen Fluchthelfer besorgte sie sich (um 3500 Dollar) einen gefälschten Pass mit europäischem Visum, bestieg ein Flugzeug und betrat in Italien europäischen Boden. Nachdem an der österreichischen Grenze die Fälschung aufgeflogen war, stellte sie einen Asylantrag – über den immer noch nicht entschieden ist.
Nun war sie zwar in Sicherheit, aber mutterseelenallein (ihre Familie lebt weiterhin in Damaskus). Sie hatte nur eines: ihre Fähigkeiten, die sie sich im Laufe ihres bisherigen Wanderlebens angeeignet hatte – also ihr Pharmazie-Studium, fünf Sprachen (Somali, Arabisch, Urdu, Hindi und Englisch) sowie ihren unverbrüchlichen Optimismus. „Ich wurde hier in Österreich gut behandelt und habe viel Unterstützung gefunden, und ich will zurückzahlen, was ich bekommen habe“, sagt Suad Mohamed mit einem breiten Lachen.

Da sie wegen des noch nicht entschiedenen Asylstatus nicht arbeiten durfte, ging sie zum Roten Kreuz und fragte, ob sie dort irgendwie mithelfen könne. Sie konnte: Seit einem Jahr ist sie nun freiwillige Helferin, sie unterstützt Migranten als Übersetzerin bei Fragen der Familienzusammenführung und ist zudem noch bei vier weiteren Hilfsorganisationen aktiv. „Die Gesellschaft erwartet nicht, dass Flüchtlinge aktiv sind, sondern herumsitzen und nichts tun. Wir wollen aber an der Gesellschaft teilnehmen“, betont sie. „Ich will hier in Österreich meinen Beitrag leisten.“ Und beim Roten Kreuz habe sie so etwas wie eine neue Familie gefunden.

Geld verdient sie mit ihrer Arbeit zwar nicht, aber sie lernt jeden Tag sehr viel dazu und versucht, ihr Wissen nutzbringend für andere Flüchtlinge einzusetzen. Vor allem will sie den anderen Flüchtlingen klar machen, immer wieder ihr bestes zu versuchen und nicht aufzugeben.

„Man muss über Brücke gehen wollen“

Das Hauptproblem als Migrant sei die Sprachbarriere. Es gibt eine Reihe von Problemen im Asylsystem, auch wüssten viele Flüchtlinge nicht, wie zum Beispiel das Gesundheitssystem – das Suad Mohamed als sehr gut befindet – funktioniert. „Wenn die Gesellschaft, die Regierung, das Gesundheitssystem und die Migranten zusammenarbeiten, können diese Probleme gelöst werden.“ Jede Seite habe ihre positiven Punkte, und daraus könne man Lösungen bauen. Von ihren Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem aus Sicht einer Migrantin berichtete sie am Dienstag auch bei ihrem Auftritt bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen.

Das Verhältnis zwischen der österreichischen Gesellschaft und den Flüchtlingen beschreibt sie mit dem Bild einer Brücke, die über den Graben zwischen den beiden Gruppen führt: Auf beiden Seiten müssen die Menschen über die Brücke gehen wollen – nur dann werden sie sich gegenseitig akzeptieren können. „Die Gastgesellschaft hat keine Ahnung, wer ich bin. Dasselbe gilt auch aus der Sicht von Migranten, die das Land nicht kennen. Man muss aufeinander zugehen“, sagt Suad Mohamed.

Nach ihren Zukunftserwartungen gefragt, sagt sie lachend, dass sie 50 Träume habe. Aber Priorität hätten zwei Vorhaben: Erstens will sie ihre Familie aus Syrien herausbringen. Und zweitens will sie in Wien ein Pharmazie-Master-Studium absolvieren – noch ist ihr Deutsch nicht gut genug und sie sammelt gerade die nötigen Dokumente zusammen, damit sie zugelassen wird. Suad Mohamed weiß, dass die Erfüllung ihrer Träume nicht einfach wird. Ihren Optimismus wird sie aber wohl nicht verlieren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Maria Hofmarcher-Holzhacker
Gesundheitsgespräche

„Ein Leben als gläserner Patient hat Vorteile“

Die Ökonomin und Gesundheitsexpertin Maria Hofmarcher-Holzhacker will eine unkompliziertere elektronische Gesundheitsakte. Derzeit erinnere Elga "eher an einen PDF-Friedhof".
Symbolbild
Alpbach

Medizinkosten: Wien ist Spitzenreiter

Sowohl bei den Ausgaben als auch bei der Lebenserwartung in guter Gesundheit gibt es enorme Unterschiede zwischen den Bundesländern. Die Gründe dafür sind bisher kaum untersucht.
Jo Ivey Boufford, Präsidentin der New Yorker Akademie für Medizin
Gesundheitsgespräche

"Rauchverbote sollten weltweit ausgeweitet werden"

Weniger Autos, mehr Bänke und ein bisschen Costa Rica als Vorbild nehmen: Jo Ivey Boufford, Präsidentin der New Yorker Akademie für Medizin, will Lebensräume gesünder machen.
Michael Janistyn in einem Behandlungsraum der ''Team-Therapie''
Home

Fragen Sie Ihren Arzt und Therapeuten – am besten zugleich

Physiotherapeut Michael Janistyn fordert eine Vereinheitlichung bei Therapiekosten und den Kriterien, nach denen Behandlungen zugesagt werden: "Ich habe hier immer das Gefühl, Patient und Therapeut müssen gegen die Krankenkasse arbeiten."
Gynäkologin Siripanth Nippita
Home

Kulturkampf um den Kreißsaal

Die Frage um das Recht auf Abtreibung spaltet die USA – seit Donald Trump Präsident wurde, umso mehr. Gynäkologin Siripanth Nippita wünscht sich ein sexuell aufgeklärteres Amerika.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.