Wo die Verfolgung von Christen zum guten Ton gehört

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In vielen muslimischen Ländern dürfen Christen ihre Religion nicht frei ausüben oder werden gar mit dem Tode bedroht. Nach dem Minarettverbot könnte sich ihre Lage weiter verschlechtern.

Wien. Camelia Lotfys Kampf ist noch nicht ausgestanden. Die Koptin aus der ägyptischen Stadt Alexandria kämpft gegen die Justiz – und um ihre beiden 15-jährigen Söhne. Im Jahr 2000 trat ihr Mann, koptischer Christ – geschätzte acht bis zehn Millionen Kopten gibt es im 75-Millionen-Einwohner-Land –, zum Islam über. Nach islamischem Recht sind die Kinder eines Moslems automatisch Muslime, das Religionsbekenntnis der Zwillingsbrüder in der Geburtsurkunde wurde geändert. Dabei verwies das Gericht auf das islamische Recht (Scharia), das in Ägypten als einzige Rechtsquelle gilt.

Die Mutter ist entsetzt: „Muslime sind sie doch nur auf dem Papier. Die beiden sind Ministranten in der Kirche“, so die 48-Jährige, die anlässlich des gestrigen Tages der Menschenrechte bei der Veranstaltung „Christenverfolgung steigt, Europa schweigt“ in Wien war. Dennoch will Lotfy nicht aufgeben: Im Jänner 2010 steht erneut ein Gerichtstermin an.

Lotfys Geschichte sei „kein Einzelfall“, sagt ihr Rechtsanwalt Chafik Awad, Präsident der Union der koptischen Organisationen in Europa. Christen würden vielfältig diskriminiert: Der Übertritt eines Moslems zum Christentum sei so gut wie unmöglich („umgekehrt eine Sache von fünf Minuten“), Bau und Sanierung von Kirchen seien verboten. „Wir dürfen nicht einmal eine Toilette reparieren.“

Nordkorea an der Spitze

Ägypten steht an 21.Stelle des „Weltverfolgungsindex“ der US-Organisation „Open Doors“. In mehr als 50Staaten weltweit werden rund 250 Millionen Christen an der Religionsausübung gehindert, werden unterdrückt, gefoltert oder gar getötet.

Meist sind es islamische Staaten, in denen Christen nicht geduldet werden – oder kommunistische Diktaturen. „Der gemeinsame Nenner der Einparteiendiktaturen und vieler islamischer Staaten ist eine totalitäre Ideologie“, sagt Johann Marte von der christlichen Stiftung „Pro Oriente“.

Wo Staat und Religion eins sind, ist Christenverfolgung nicht weit: „Dort, wo das islamische Religionsgesetz Rechtsgrundlage ist, werden den Christen als ,Ungläubigen‘ Rechte vorenthalten.“ Das Schweizer Minarettverbot könnte für Christen in muslimischen Ländern eine weitere Verschlechterung ihrer Lage bedeuten, fürchtet Marte.

„Religionsfreie“ Staaten wie Nordkorea – zum siebenten Mal an der Spitze der schwarzen Liste – stufen Christen wiederum als politische Straftäter ein, die in Arbeitslagern schuften müssen.

Hass auf Konvertiten

Rang zwei und drei des Verfolgungsindex nehmen – wie im Vorjahr – Saudiarabien und der Iran ein. Wesentlich verschlechtert hat sich die Lage für Christen in Afghanistan. In dem – in weiten Teilen – von radikal-islamischen Taliban dominierten Land ist es unmöglich, den Glauben offen zu praktizieren. Die rund 3000Christen müssen mit der ständigen Angst leben, bei Entdeckung verhaftet zu werden.

So wie in allen Ländern, in denen die Scharia gilt, sind vor allem Konvertiten Zielscheibe des Hasses: Auch in dem von Bürgerkrieg zerrütteten Somalia ist die Lage der Christen schlimmer geworden. Dort dürfen unter Berufung auf die Scharia Konvertiten getötet werden. Auch in Eritrea, Ägypten, Nigeria, Pakistan und im Irak haben es Christen schwer.

Basel Tuma von der Union Orientalischer Christen in Österreich fürchtet nach der letzten Anschlagsserie im Irak eine neue Fluchtwelle. Seit 2003 ist mehr als die Hälfte der 1,2 Millionen Christen geflüchtet. Die Daheimgebliebenen stünden zwischen allen Stühlen. „Sie haben keine Macht hinter sich“, sagt Tuma, „die Christen haben nur die Europäer.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2009)

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