Klimawandel: Zu früh gefreut beim CO2-Ausstoß

Der Anstieg schien seit 2014 gestoppt. 2017 nehmen die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern wieder zu.
Der Anstieg schien seit 2014 gestoppt. 2017 nehmen die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern wieder zu. (c) Reuters
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Nach drei Jahren, in denen die globalen CO2-Emissionen konstant blieben, steigen sie heuer wieder um zwei Prozent. Was zeigt: Die Rolle erneuerbarer Energien wird oft überschätzt.

Wien/Bonn. Bei allen düsteren Prognosen zur Erderwärmung gab es über die vergangenen drei Jahre ein sehr positives Signal: Die globalen Emissionen an Kohlendioxid nahmen von 2014 bis 2016 trotz wachsender Weltwirtschaft nicht mehr zu. Das schien zu beweisen, dass die Menschheit zumindest prinzipiell in der Lage ist, den von ihr verursachten Klimawandel wieder unter Kontrolle zu kriegen. Diese Hoffnung wurde am Montag kräftig getrübt: Heuer dürfte der CO2-Ausstoß wieder um zwei Prozent steigen, gab das Global Carbon Project in seinem jährlichen Bericht auf der Klimakonferenz in Bonn bekannt. Die Daten von 76 Forschern aus 15 Ländern zeigen: Wie stark die Durchschnittstemperatur steigt, hängt vor allem an China – und damit an der Kohle.

Sicher: Die Wirtschaft wächst heuer fast überall kräftiger. Aber viele westliche Volkswirtschaften (darunter Österreich) schaffen es schon länger, ihr Wachstum vom Ausstoß schädlicher Klimagase zu entkoppeln, auch wenn die Rückgänge nun niedriger ausfallen als zuletzt. In China hingegen schlägt eine anziehende Konjunktur voll auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe durch. Damit steigt weltweit nicht nur die Menge an verbranntem Erdöl und -gas, sondern auch von Kohle, auf die der größte Emittent weiter angewiesen bleibt.

Die Daten machen freilich stutzig. Nach den offiziellen Angaben Pekings flacht sich das früher so stürmische Wachstum kontrolliert und kontinuierlich ab. Aber die Emissionswerte passen besser zu einem Verdacht, den nicht wenige Beobachter hegen: dass es in den vergangenen Jahren einen regelrechten Einbruch gab, von dem sich die zweitgrößte Volkswirtschaft nun wieder erholt. Fürs Klima hieße das: Die Verschnaufpause war nur Chinas Problemen zu verdanken, die vorerst vorbei sind.

Mehr Kohle verfeuert

Der Kohleverbrauch nimmt aber auch in den USA zu. Das liegt jedoch weniger an Präsident Trumps Kehrtwende in der Energiepolitik als vielmehr am Markt: Steigende Preise für Erdgas machen den Einsatz der besonders klimaschädlichen Kohle attraktiver. Was aber ist mit den erneuerbaren Energien? Dass vor allem in Deutschland die Windräder aus dem Boden schießen und der Solarstrom boomt, täuscht über die globalen Verhältnisse hinweg. Zwar geht der Energiekonsum, der für eine zusätzliche Produktionseinheit benötigt wird, auch weltweit seit den Neunzigerjahren laufend zurück – und diese verbesserte Effizienz bleibt die wichtigste Hoffnung für den Klimaschutz. Aber in jeder verbrauchten Energieeinheit steckt heute im globalen Schnitt noch gleich viel CO2 wie vor 15 Jahren. Dieses Verhältnis bleibt deprimierend konstant. Vereinfacht gesagt: Was die Erste Welt durch den Ausbau von Ökostrom einspart, kommt durch den Mehrbedarf der Schwellenländer an fossilen Brennstoffen wieder dazu.

Aber setzen nicht auch China, Indien und Brasilien auf erneuerbare Energien? Deren Kapazität ist weltweit rapide gewachsen, im Schnitt um 14 Prozent pro Jahr seit 2012. Aber die Ausgangsbasis ist zu klein, um absolut viel auszumachen. Noch ist nicht klar, ob sich 2017 als Ausrutscher erweist. Die Studienautoren sind skeptisch. Angesichts der sehr optimistischen Wachstumsprognosen gehen sie davon aus, dass die CO2-Emissionen auch 2018 zunehmen werden.

Freilich würde ein stagnierender Verbrauch bei Weitem nicht ausreichen, um die Erderwärmung zu stoppen. Denn das Kohlendioxid bleibt ja viel länger in der Atmosphäre als nur in dem Jahr seiner Freisetzung. Es ist wie bei einer Badewanne: Solange überhaupt etwas zufließt, steigt die Gefahr, dass sie übergeht. Und zurzeit ist die Menschheit wieder dabei, den Hahn noch weiter aufzudrehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2017)

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