Ein Serum als Grund für "Nationalstolz"

Ungarn verdient am Impfstoff-Export mit.

Die andernorts heftig geführten Diskussionen sind an den Ungarn fast spurlos vorübergegangen: Für sie ist A/H1N1/09, die „Schweinegrippe“, Vergangenheit. 57 Todesopfer hat die Pandemie in unserem östlichen Nachbarland gefordert. Aber die Zahl könnte viel höher sein, hätte der Staat nicht mit Nachdruck eine Impfkampagne geführt. Die „Durchimpfung“ der Bevölkerung beträgt rund 30 Prozent. Das heißt, dass etwa drei der zehn Millionen Magyaren immunisiert sind.

Zu verdanken haben sie das dem 1995 in Budaörs im Westen von Budapest gegründeten Unternehmen Omninvest, das sich auf den Kampf gegen Grippen aller Art spezialisiert hat. Es produziert einen von nur acht A/H1N1/09-Impfstoffen, die in der EU lizenziert wurden. Und davon profitiert Ungarn nicht nur gesundheitlich. Es hat auch „Grund für Nationalstolz“. Die Pharmafirma hat nämlich nach vier Millionen Portionen Impfstoff, die der Staat bestellt hatte, weitere zwei Millionen Dosen produziert. Und diese auf dem Weltmarkt angeboten.


Exporterlös für den Staat. Soeben hat Omninvest dem „Nationalen Forschungs- und Technologieamt“ NKTH 110 Millionen Forint (etwas mehr als 400.000 Euro) überwiesen. Damit erfüllte man einen Vertrag aus dem Jahr 2006: Omninvest bekam eine Förderung von zwei Milliarden Forint zur Erforschung der „Influenza A“ (zu der die Vogelgrippe ebenso gehörte wie die jetzige Schweinegrippe) und verpflichtete sich, zehn Prozent der daraus resultierenden Einnahmen an den Staat abzuführen.

Die 110 Mio. Forint sind zehn Prozent der Einnahmen für 385.000 Dosen Impfstoff, die im Dezember verkauft worden sind. Das bedeutet, dass pro Dosis durchschnittlich 10,60 Euro kassiert wurden. Der ungarische Staat zahlte nur vier Euro.

Und das war noch zu viel. Eine Diskussion entbrannte ob der Frage, ob der Preis nicht überhöht sei. Der Verband der Arzneimittel-Großhändler hatte behauptet, seine Mitglieder könnten den Impfstoff deutlich billiger ausliefern. Das staatliche „Institut zur Vorratsbewirtschaftung im Gesundheitswesen“ verrechnete als Zusatzkosten für die Auslieferung 450 Forint bei einem Erzeugerpreis von 1050 Forint – der Großhändler Hungaropharma, von Verbandspräsident Ferenc Szabó geleitet, hätte netto 84 Forint verlangt.


Ex-Agenten als Eigentümer? Eine andere Ungereimtheit war Gegenstand heftiger Debatten im Parlamentsausschuss für nationale Sicherheit: die Eigentümerstruktur von Omninvest. Zwei Prozent gehören einem ungarischen Staatsbürger, doch den Rest hält das Offshore-Unternehmen Sumpter Ltd. im zypriotischen Larnaka. Die Opposition wollte, dass der Geheimdienst NBH Licht in die Affäre bringt, musste sich aber mit Zeitungsartikeln bescheiden. Demnach könnten hinter Sumpter zwei pensionierte Agenten der einstigen KP-Staatssicherheit stehen. Einer, Zoltán Kaizinger, hatte laut der Wochenzeitung „Heti Válasz“ in der 1991 von ihm gegründeten Detektei Securintell einen Partner namens Ferenc Zimonyi. So heißt auch der Geschäftsführer von Omninvest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2010)

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