Die Innenminister schieben das Thema Quoten wegen Uneinigkeit auf die lange Bank.
Wien/Sofia. Bei seinem ersten Innenministerrat auf europäischem Parkett hatte Herbert Kickl eine klare Botschaft für seine EU-Amtskollegen im Gepäck: Er sei gegen eine verpflichtende Flüchtlingsverteilung, wenn diese nicht unter ausdrücklicher Zustimmung aller Mitgliedstaaten stattfinde, ließ der FPÖ-Politiker die übrigen Anwesenden wissen – freilich sehr zur Freude der osteuropäischen Viségrad-Länder, die seit jeher gegen die Quotenregelung Stimmung machen.
Da das emotionale Thema weiterhin viel Zündstoff birgt, wollen sich die Regierungsvertreter nun erst einmal gar nicht damit befassen – und schieben die Debatte auf die lange Bank. „Vielleicht ist es sinnvoll, wenn wir uns zeitlich zunächst auf andere Dinge konzentrieren“, stellte der deutsche Innenminister, Thomas de Maizière (CDU), vor dem informellen Treffen am Donnerstag in Sofia fest. Im Rahmen der Reform des EU-Asylwesens stehen schließlich auch weniger kontroverse Fragen wie der Außengrenzschutz und gemeinsame Rückführungen nicht anerkannter Flüchtlinge auf der Agenda. Dass die Minister vorerst nicht über die Quotenregelung diskutieren, hat also durchaus Sinn – wenngleich ein Abkommen darüber per Mehrheitsentscheid getroffen würde und die osteuropäischen Verteilungsgegner sowie Österreich überstimmt werden könnten. Man ist jedoch bestrebt, eine Situation wie im September 2015 zu vermeiden: Damals klagten Ungarn und die Slowakei gegen den im Innenministerrat getroffenen Mehrheitsbeschluss, 160.000 in Griechenland und Italien gestrandete Flüchtlinge nach einem vorgegebenen Verteilungsschlüssel auf die übrigen Mitgliedstaaten umzusiedeln. Tatsächlich wurden bis heute nur etwas mehr als 30.000 Personen verteilt.
Neuregelung des Dublin-Systems
Bereits im November letzten Jahres hat sich das EU-Parlament auf eine Neugestaltung des europäischen Asylwesens verständigt. Das Dublin-System, wonach das Erstaufnahmeland für ein Asylverfahren zuständig ist, soll demnach völlig anders geregelt werden. Ein vierstufiger Kriterienkatalog soll festlegen, welches EU-Land für einen Flüchtling zuständig ist. Dabei wird zunächst geprüft, ob die Person in einem Mitgliedsland Familienangehörige hat. Ist dies nicht der Fall, kommt Punkt zwei zur Anwendung: Hat der Asylwerber in einem EU-Staat schon ein Visum erhalten? Wird auch der dritte Punkt, die Frage nach einer Ausbildung in einem Mitgliedsland, negativ beantwortet, soll der Flüchtling aus den vier am wenigsten ausgelasteten EU-Ländern wählen.
Gegen die Einbeziehung des Familiennachzugs macht wiederum Deutschland mobil, das laut „Spiegel“-Bericht fürchtet, dadurch deutlich mehr Flüchtlinge aufgebürdet zu bekommen. In einem Brief an EVP-Fraktionschef Manfred Weber mahnen Unionspolitiker demnach, dass die Verhandlungen zum Asylsystem nicht dazu führen dürften, „dass die asymmetrische Lastenverteilung verschärft wird“. Die Bruchlinien verlaufen also nicht nur unter den Ministern, sondern auch mit dem EU-Parlament – und der Plan von Ratspräsident Donald Tusk, eine Einigung über das Asylpaket bis Juni zu erreichen, wird unrealistischer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2018)