Um den Weltkulturerbe-Status für Wien zu retten, ist Investor Michael Tojner zu einem bisher kategorisch ausgeschlossenen Kompromiss bereit. Allerdings stellt er der Stadt ein Ultimatum bis zur Wien-Wahl.
Wien. Der Partycrasher hört auf den Namen Ernst Woller. Dem Landtagspräsidenten und Unesco-Sonderbeauftragten Bürgermeister Michael Ludwigs (beide SPÖ) gelang es, am Freitagvormittag überraschend, die Opposition zu düpieren. Die ÖVP hatte zu einem Sondergemeinderat zusammengetrommelt. Weitschweifiger Titel: „Wiens kulturelles Erbe vor Rot-Grün schützen: Retten, was noch zu retten ist! Das Bauprojekt am Heumarkt ist mit dem Weltkulturerbe nicht vereinbar und darf nicht realisiert werden.“
Woller verkündete in der Sitzung eine Einigung mit Investor Michael Tojner, auf den Bau des umstrittenen Turm zu verzichten. Darüber sei er „sehr glücklich“ formulierte der Landtagspräsident wenig später in seinem Büro bei einem eilends einberufenen Hintergrundgespräch.
1 Worin genau besteht die Einigung zwischen Stadt Wien und Michael Tojner?
Der Projektentwickler des Areals vom Hotel Intercontinental beim Stadtpark über den Wiener Eislaufverein bis zum Konzerthaus, Michael Tojner, hat zugestimmt, auf den Bau des umstrittenen Heumarkt-Turms zu verzichten. Bisher hat er weitere Kompromisse kategorisch abgelehnt. Der Turm mit Luxus-Appartements und Hotel-Infrastruktur war zunächst vom Sieger eines Architekturwettbewerbes, dem Brasilianer Isay Weinfeld, mit einer Höhe von 74 Metern geplant, danach wurde auf 66 Meter reduziert. Dem Unesco-Gremium, das den Weltkulturerbe-Titel vergibt (und selten wieder nimmt) war und ist das noch immer zu wenig. Tojner wird nun von der Stadt zugestanden, dafür das Hotel „geringfügig“ höher zu bauen.
2 Was bedeutet das für den Erhalt des Status der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe?
Möglich, dass die neue Wendung vom Freitag spielentscheidend ist. Oder auch nicht. Das hängt vom Verhandlungsgeschick und der Kompromissbereitschaft der Unesco-Experten ab. Und natürlich von den neuen Plänen die es noch nicht gibt. Der Turm soll nicht einfach weiter gestutzt (wie bei Wien Mitte) sondern ersatzlos gestrichen werden. Jedenfalls muss Wien in Gespräche mit dem Unesco-Komitee treten. Immerhin ist Wien auf der roten Liste und in Gefahr, für die Innenstadt den prestigeträchtigen Titel Weltkulturerbe zu verlieren. Die rotgrüne Regierung zeigt sich optimistisch, dass dies gelingen wird – im Idealfall für sie natürlich noch vor der Wien-Wahl, die im Herbst 2020 fällig ist. Der Wiener Chefverhandler Ernst Woller meint wörtlich: „Die Unesco ist kompromissbereiter als militante Denkmalschützer hier.“
3 Wer versucht da nun wen und weshalb unter Druck zu setzen?
Kurz nachdem die Einigung öffentlich wurde, formulierte Tojners WertInvest ein Ultimatum: „Sollte sich bis Herbst 2020 keine Lösung konkret abzeichnen, müssen wir dringend die bestehende Planung weiterverfolgen, für die wir bereits den Genehmigungsprozess durchlaufen haben und die nach der Wiener Bauordnung bereits bewilligungsfähig ist.“ Der sonst freundliche Ernst Woller zeigt Verständnis dafür und legt nach: Wenn die Unesco das höhere Hotel ablehne, „dann kommt der Turm“. Und der Welterbestatus könnte Geschichte sein.