Nach Jahren des Niedergangs erlebt der Urlaub mit Zelt oder Wohnwagen wieder einen Boom.
Wien. Camping ist für viele eine Erinnerung an die 1970er- und 1980er-Jahre. Unbequeme Plastikstühle, ein wackeliger Gaskocher und das südeuropäische Campingplatzklo, das bei jedem Besuch erst einmal große Überwindung kostete. Camping hatte in seiner ersten Hochblüte vor allem etwas sehr Rudimentäres an sich. Das war wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum spätestens mit dem Auftreten der ersten Billigflugreisen in den 1990er-Jahren viele davon wieder Abstand nahmen. Auch wenn das Hotel in Ägypten oder der Dominikanischen Republik ebenfalls seine Macken hatte – man war zumindest in Ägypten oder der Dominikanischen Republik.
Doch inzwischen ist die Lust an der einstigen Exotik vielerorts etwas abgeflacht. Und Camping boomt wieder. So stieg die Zahl der Übernachtungen auf den heimischen Campingplätzen laut Angaben der Statistik Austria im Vorjahr um acht Prozent auf 6,4 Millionen – den höchsten Wert seit dem Jahr 1992. Seit dem Jahr 2012 beträgt die kumulierte Steigerung bei den Nächtigungen 22 Prozent, bei den Ankünften sogar knapp ein Drittel.
Eine Entwicklung, die nicht nur auf Österreich beschränkt ist. So vermelden auch die Campingorganisationen in den Mittelmeerländern zuletzt eine kräftige Zunahme der Touristenzahlen. Doch der Boom hat auch seine Nachteile. Er zerstört einen der großen Vorteile des Campingurlaubs: die Flexibilität. Wer es klassisch anlegt und auf gut Glück den Platz der Wahl anfährt (wildes Campieren ist inzwischen so gut wie überall verboten), wird zumindest an den schönen Plätzen der oberen Adria bereits am Eingangstor wieder abgewiesen. Besonders begehrte Fünf-Sterne-Plätze haben seit einigen Jahren sogar die Praxis, schon im Herbst die Stellplätze für den kommenden Hochsommer zu versteigern. Nur wer am meisten bietet, darf den Urlaub dort verbringen.
Auf der Warteliste
Allerdings hat sich die Qualität der Plätze allgemein drastisch verbessert. Grund dafür ist das sogenannte Glamping – ein Kunstwort aus Glamour und Camping. Viele Plätze bieten inzwischen die Qualität gehobener Hotels und auch entsprechende Mietbungalows. Das treibt zwar die Preise in die Höhe, die Kosten sind es aber ohnehin nicht, die zum Camping treiben. Es geht vielmehr um das Urlauben möglichst nah an der Natur.
Die Kosten sind zudem ein Faktor, wenn es kein Zelt sein soll und es noch kein eigenes Wohnmobil oder einen eigenen Wohnwagen gibt. Denn die Tagesmiete für ein Wohnmobil beträgt heuer im Schnitt bereits 125 Euro, so die Buchungsplattform Campanda. Doch auch wer sich zum Kauf entschließt, muss das vorplanen. Angesichts beschränkter Kapazitäten betragen die Lieferzeiten bei den Herstellern derzeit mindestens sechs Monate, vielfach muss aber beinahe ein Jahr auf den fahr- und wohnbaren Untersatz gewartet werden.
Dafür wächst inzwischen auch der Gebrauchtmarkt wieder. Denn laut Statistik Austria stieg die Zahl der in Österreich zugelassenen Wohnwagen seit 2013 um viereinhalb Prozent auf 37.869, jener der Wohnmobile gar um 18 Prozent auf 26.230.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)