Flug verspätet oder abgesagt? Wann die Airline zahlen muss

Wann muss die Fluglinie zahlen?
Wann muss die Fluglinie zahlen?APA/dpa/Daniel Bockwoldt
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Wenn sich Flüge massiv verspäten oder abgesagt werden, steht den Passagieren oft eine Ausgleichszahlung zu. Wann und wie viel genau, hängt von der Dauer der Verspätung und der Flugdistanz ab. Bei der zuständigen staatlichen Agentur sind die Beschwerden zuletzt stark angestiegen.

Wien/Frankfurt. Das Flugzeug landet. Handy aus der Tasche. Flugmodus aus. Jetzt landen die Mails, Whatsapp- und SMS Nachrichten. Alles ganz normal. Aber manchmal landen auch schlechte Nachrichten. Etwa, wenn man mit Kind und Kegel aus Spanien kommend in Frankfurt in Richtung Wien umsteigen will – und es plötzlich per SMS heißt: „We regret that your flight OS132 FRA-VIE at 05:50 PM was cancelled.“ Flug gestrichen also. Ersatzflug? Ja, schon. Mit vier Stunden Verspätung. Macht insgesamt: Mehr als sechs Stunden Aufenthalt am Flughafen.

Wenn so etwas passiert, führt der erste Weg zum Service Desk, wo die Lufthansa freundlich, aber deutsch und bestimmt wissen lässt: „Sind wir nicht zuständig.“ Und dann doch insgesamt 25 Euro an Gutscheinen aushändigt. Das reicht am Frankfurter Flughafen locker für zwei Kaffee, ein Wasser und ein Bier. Die Gutscheine sind freilich keine freiwillige Gabe der „nicht zuständigen“ Lufthansa. Sie sind Vorschrift und werden von der deutschen Mutter im Namen der rot-weiß-roten Tochter ausgegeben. Zu verdanken haben das die Passagiere einer EU-Verordnung, die Verspätungen streng ahndet. Und bei Gutscheinen sollte es – in der Regel – auch nicht bleiben.

Unwetter ist eine gültige Ausrede

Tatsächlich sind die Airlines, je nach Verspätung und Flugdistanz, zu einer Zahlung von 250 bis 600 Euro pro Person verpflichtet. Das gilt natürlich nicht für Flüge, die 20 Minuten oder sogar eine Stunde verspätet sind. Ab drei Stunden Ankunftsverspätung wird es aber teuer für die Airlines. Bei einer kurzfristigen Annullierung, wie sie im konkreten Fall geschildert wurde, muss die Airline auch dann zahlen, wenn es einen Ersatzflug gibt, dieser aber mehr als zwei Stunden verspätet ankommt. Bei einem früheren Ersatzflug kann die Zahlung reduziert werden.

Wenn äußere Umstände, wie Terror oder Unwetter, für die Probleme verantwortlich sind, muss die Airline gar nicht zahlen – ein technisches Gebrechen reicht nicht als Ausrede. In Österreich hat das Verkehrsministerium eine eigene Agentur eingerichtet, die sich um die Rechte der Passagiere kümmert. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von privaten Anbietern, die die Ansprüche gegenüber den Airlines im Namen der Betroffenen durchsetzen. Diese werben etwa auf Google sehr intensiv – zwicken aber bis zu 30 Prozent der Zahlung ab.

„Diese Firmen bringen dann bei uns eine Beschwerde ein und wir müssen das übernehmen“, sagt Sabrina Köcher, die Sprecherin der staatlichen Agentur für Passagier- und Fluggastrechte, die die Ansprüche der Passagiere stets „kosten- und provisionsfrei“ durchsetzt. Köcher empfiehlt betroffenen Passagieren zuerst die Dokumentation aller angefallenen Ausgaben, etwa für Erfrischungen am Flughafen. Rechnungen sollte man am besten aufheben. Auch die Benachrichtigungen über Verspätung/Annullierung und die ursprünglichen Boardkarten. Dann sollen sich die Passagiere in einem ersten Schritt direkt an die Airline wenden – nicht an die Agentur und auch nicht an private Anbieter aus dem Internet. Bei der AUA gibt es ein eigenes Formular. „Wenn sich die Airline nach sechs Wochen nicht meldet oder sich weigert, zu zahlen, kann man sich an uns wenden“, so Köcher.

Soll heißen: Bei der Agentur für Passagierrechte landen nur Fälle, in denen es ein Betroffener schon auf eigene Faust probiert hat und gescheitert ist. Nach dem Eingreifen der Agentur sind die Airlines in mehr als 80 Prozent der Fälle aber dann doch bereit, zu zahlen. Hartnäckigkeit zahlt sich also aus.

Aktuell scheint es im Flugverkehr viele Probleme zu geben. Die Agentur hat im ersten Halbjahr einen Anstieg der Beschwerden um fast 40 Prozent verzeichnet.

Im eingangs geschilderten Fall ist eine Reaktion der Austrian noch ausständig, die sechswöchige Frist läuft noch. Oft sind Airlines in der Urlaubszeit überfordert, sagt Köcher. Eine Erkenntnis bleibt aber vom unfreiwilligen Rechercheaufenthalt in Frankfurt: Flughafenbau war offenbar noch nie des Deutschen Stärke. Sonst hätte er die „Ruhezone“ nicht zwei Meter neben den Kinderspielplatz gebaut. Wobei: Den Kindern war es egal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2018)

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