Urania: Letzter Vorhang im Kasperltheater

Das Puppentheater in der Wiener Urania, gerüstet für die vielleicht letzte Saison mit Kasperl und Co.
Das Puppentheater in der Wiener Urania, gerüstet für die vielleicht letzte Saison mit Kasperl und Co.(c) APA (HANS KLAUS TECHT)
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Direktor Müller findet keinen Nachfolger. Er will die Bühne daher sperren: "Viel Hoffnung hab' ich nicht."

Wien. „Liebe Kinder, liebe Leute, unser Spiel ist aus für heute!“ Mit diesen Worten endet seit Kindergenerationen, seit 69 Jahren, jede Kasperlvorführung des Wiener-Urania-Puppentheaters. Am 28. April 2019 könnte das Spiel des Traditionsunternehmens für immer aus sein.

Direktor Manfred Müller beabsichtigt, mit seinen 70 Jahren den Ruhestand anzutreten. „Ich will mit meinem Leben auch noch etwas anderes als Puppenspiel machen“, sagt er am Montag fast entschuldigend zur „Presse“. Müller, immerhin seit 1995 Direktor, hat trotz intensiver Bemühungen keinen Nachfolger gefunden. Genauer: keinen Käufer.

100.000 Euro exklusive Umsatzsteuer verlangt der Langzeitchef für Bühne, 400 Puppen, Kulissen zu 48 Stücken, Fuhrpark, Lizenzen, Patente, technische Ausstattung etc. „Da steckt ja nicht nur Herzblut drin, das ist ein Vermögen, das ich nicht herschenken kann.“

In eineinhalb Jahren wäre dieser Betrag eingespielt, sagt Müller. Denn das Geschäft laufe „sehr gut“, mit einer konstanten Auslastung von 80 bis 85 Prozent. Weshalb es dann keinen Käufer gibt? „Da fragen Sie mich zu viel“, antwortet der ratlose Direktor.

Dabei ist er, was Herausforderungen betrifft, sonst selten um Antworten verlegen. Das Wort Merchandising kommt Müller, der 1973 (vor 45 Jahren also!) als Puppenspieler eingestiegen ist, genauso geläufig über die Lippen wie der unvermeidliche Ausspruch „Krawuzi-kapuzi“ von Pezi, dem (heimlichen) Star neben Kasperl.

Erstmals geraten Kinder hier mit dem Faszinosum Bühne/Theater in Kontakt, staunen über einen samtenen, roten Vorhang (welche Geheimnisse mag er wohl verbergen?), der sich wie von Geisterhand bewegt, ersehnen nach dem Dunkel das Scheinwerferlicht. „Die Begeisterung ist gleich geblieben“, sagt Müller nüchtern. Ob er Veränderungen bei seinen Besuchern ausmachen kann? Nur eine nennt er. In der Pause heißt es nicht: „Es ist schön“, sondern „cool“.

Ein Sehnsuchtsort

Cool findet auch so ein smarter Politiker wie Christian Kern offenbar Kasperl und Pezi in der Wiener Urania – ein Sehnsuchtsort, „Heimat pur“ für den SPÖ-Chef, wie er auf Twitter formuliert.

Und: „Dort war ich mit meinen Eltern, mit meinen Kindern, und dort werde ich eines Tages mit meinen Enkeln hin.“ In den sozialen Netzwerken hat sich bereits eine Initiative gegen die Schließung gebildet, auch SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda ist mit von der Partie.

Den Theaterdirektor lassen derartige (verbale) Aktivitäten eher kalt. „Ich habe das schon so oft gehört, dass eine Schließung nicht sein darf. Viel Hoffnung hab' ich nicht.“ Schon einmal Anfang, Mitte der 2000er-Jahre sei er letztlich nach der Renovierung der Urania („Wir mussten auf einer Baustelle spielen“) allein dagestanden. Bühne und Technik durch den Staub der Arbeiten beschädigt oder zerstört – „das hätte mir fast das Genick gebrochen“.

Den Spruch „Den Wurschtel kann keiner erschlagen“ will Direktor Müller nicht hören. Der Wurschtel, der nach der Frau am Ende selbst den Teufel erschlägt, hat mit seinem gutmütigen Kasperl so gar nichts gemeinsam. Am 5. Oktober startet nach der Sommerpause jedenfalls der Betrieb wieder – für die nächste Saison, die letzte, wie Müller ankündigt. „Es war einmal ein Dagobert Duck“, lautet der Titel des Stücks. Mit Kasperl und Pezi natürlich – bis der Vorhang fällt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2018)

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