Facebook ließ Netflix und Spotify private Nachrichten der User lesen

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Ein interner Bericht zeigt laut New York Times auf, wie Facebook großen Konzernen freien Zugang zu den privaten Nachrichten und Freundeslisten der User gab. Der Ruf nach Zuckerbergs Rücktritt wird immer lauter.

Für Facebook ist 2018 wohl das bisher schwierigste Jahr in der Unternehmensgeschichte. Seit dem Cambridge-Analytica-Skandal reißen die Berichte über laschen, verantwortungslosen und die Privatsphäre ignorierenden Umgang mit Nutzerdaten nicht ab. Es wurden nicht nur Daten an Firmen gegen Bezahlung weitergegeben. Auch hatten Netflix und Spotify Zugang zu den privaten Nachrichten von Usern.

Spotify konnte die Nachrichten von mehr als 70 Millionen Usern pro Monat einsehen. Und das bis 2017. Manche Unternehmen haben sogar noch immer Zugriff zu den Nutzerdaten. Obwohl Mark Zuckerberg behauptet, dass dies seit 2014 nicht mehr möglich sei.

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Amazon durfte die Freundeslisten und Kontaktinformationen der Facebook-Nutzer haben und Yahoo konnte die Pinwand-Einträge einsehen; unabhängig von den Privatsphäre-Einstellungen. Microsoft konnte für seine Suchmaschine Bing auf die Namen aller Facebook-Freunde eines Nutzers zugreifen. Das geht aus internen Dokumenten hervor, die der "New York Times" vorliegen.

Reger Datenaustausch zwischen den Firmen

Facebook profitierte nicht nur finanziell von diesen Abmachungen. Im Gegenzug erhielt Facebook wiederum Kontaktlisten der User von Amazon, Yahoo und Huawei.

Die internen Daten zeigen nicht nur auf, dass Facebook die Privatsphäre seiner Nutzer nur auf dem Papier wahrt. Sondern vielmehr, dass Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress nicht die Wahrheit gesagt hat. Im Zusammenhang mit dem Cambridge-Analytica-Skandal musste er sich dem Kongress stellen. Dort behauptete er, dass die Nutzer volle Kontrolle über ihre Daten hätten. Zumindest das stimmt nicht.

Steve Satterfield, Facebooks Director of Privacy and Public Policy, erklärt gegenüber der "New York Times": "Wir wissen, dass wir das Vertrauen der Nutzer zurückgewinnen müssen." Vor allem betont er, dass die Abmachungen mit den Partnern konform mit US-Recht sind und von der FTC (Federal Trade Commission) abgesegnet sind. Damit sei es auch nicht notwendig gewesen, die User darüber zu informieren.

Aktionäre fordern Zuckerberg-Rücktritt

Datenschutzexperten bewerten die Lage naturgemäß anders. Sie gehen davon aus, dass diese internen Dokumente ein juristisches Nachspiel haben werden. Ashkan Soltani, ehemaliger Cheftechnologe bei der FTC geht davon aus, dass die Datentausch-Deals die Vereinbarung verletzen.

Der Ruf nach einem neuen CEO wird nach diesem Skandal immer lauter. Erneut ist der Aktienkurs nach unten gesackt. Anteilseigner fordern, dass Zuckerberg zurücktritt. Eine Klage ist ebenfalls in Vorbereitung. Darin wird Facebook vorgeworfen, dass die Privatsphäre der User nicht ausreichend geschützt wurde. In den USA wurde die Kampagne #DeleteFacebook wieder ins Leben gerufen. Doch auch schon Anfang März hatte diese nur geringe Auswirkung auf die Nutzerzahlen.

Facebook rechtfertigt Vorgehen

Das Online-Netzwerk betonte, die Schnittstellen seien dazu gedacht gewesen, Nutzern den Kontakt zu ihren Facebook-Freunden auf den anderen Plattformen zu ermöglichen. Sie seien auch lediglich nach einer Anmeldung aktiviert worden, hieß es in einem Blogeintrag am Mittwoch.

Zugleich bestätigte Facebook, dass die entsprechenden Schnittstellen zum Teil noch 2017 verfügbar gewesen seien, obwohl der Datenzugang eigentlich 2014 eingestellt wurde. Das hätte nicht passieren dürfen, räumte der zuständige Manager Konstantinos Papamiltiadis ein. Facebook habe aber keine Hinweise darauf, dass es Datenmissbrauch nach dem Ende des Programms gegeben habe. 

Unternehmen putzen sich an Facebook ab

Spotfiy, Yahoo, Netflix und Co. bemühen sich indes um Schadensbegrenzung. Alle Unternehmen bestreiten, dass sie die Daten für Werbezwecke genutzt haben, oder gar gewusst hätten, dass sie diesen Zugang hatten. Andere wiederum behaupten, dass sie zwar noch Zugang gehabt hätten, aber bereits seit Jahren nicht mehr darauf zugreifen. Die Bank of Canada bestreitet indes die Behauptungen der New York Times. Und Apple soll zwar ebenfalls Zugang gehabt, aber davon nichts gewusst haben.

>>> New York Times

(bagre)

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