Brüsseler Bruchlandung des Facebook-Lobbyisten

Nick Cleggs Lebenslauf erklärt, was ihn für Facebook so interessant macht.
Nick Cleggs Lebenslauf erklärt, was ihn für Facebook so interessant macht.(c) REUTERS (Peter Nicholls)
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Nick Clegg, früher britischer Vizepremier und Europamandatar, warb vor EU-Publikum als Interessenvertreter des Silicon-Valley-Konzerns um Verständnis – und stolperte dabei in einige politische Fettnäpfe.

Brüssel. Fünf Jahre in der Kommission, unter anderem als politischer Berater des damaligen britischen EU-Kommissars Leon Brittan, danach fünf weitere als EU-Abgeordneter der Liberal Democrats, schließlich die Amtszeit als Vizepremierminister des Vereinigten Königreichs: Nick Cleggs Lebenslauf erklärt, was ihn für Facebook so interessant macht und warum er voriges Jahr zum obersten Lobbyisten des Konzerns bestellt wurde.

Denn in der EU lauert die größte politische und regulatorische Herausforderung für dieses Unternehmen, das für sich in Anspruch nimmt, doch bloß so viele Menschen wie möglich miteinander in Kontakt zu bringen. Nach Ansicht seiner Kritiker überschreitet Facebook jedoch bei seiner skrupellosen Optimierung der Sammlung von persönlichen Daten zu Werbezwecken die Grenzen der Gesetze immer wieder und trägt zudem zum Aufstieg autoritärer Politiker bei. Was also hat der EU-kundige Spitzenlobbyist von Facebook den Brüsseler Entscheidungsträgern und Meinungsbildnern in den Institutionen und Medien zu sagen?

„Weiß nicht, wer der Typ ist“

In der Bibliothèque Solvay, einem Art-déco-Prachtgebäude gleich neben dem Europaparlament, trat Clegg am Montag vor sein Publikum. Und man kann es nicht anders zusammenfassen: Seine Darbietung war vermutlich nicht ganz im Interesse seines neuen Arbeitgebers. Clegg hielt ein knapp halbstündiges Referat, in dem er das segensreiche Wirken von Facebook pries, und wenn es auch „ab und zu Fehler“ mache, trete es nun in eine „Phase, da es bereit ist, Verantwortung zu übernehmen“. Das klang nach den Enthüllungen über Facebooks Zusammenarbeit mit manipulativen Beraterfirmen wie Cambridge Analytica nur bedingt beruhigend, zumal Clegg auf die Frage der „Presse“, ob es ihm Sorgen mache, wie vor allem rechtsautoritäre Politiker diese Plattform zur Aufhetzung ihrer Anhänger nutzten, mit dem Verweis abperlen ließ, es gebe „einen riesigen Unterschied zwischen Hassreden und Inhalten von Politikern, die man nicht mag“. Es sei „wirklich wichtig, dass Facebook nicht zum Schiedsrichter darüber wird, was eine politisch akzeptable Rede ist. Die Redefreiheit bringt auch die Freiheit zur Anstößigkeit mit sich.“

Für Raunen im Saal sorgte Clegg, als er gefragt wurde, was er von der harschen Kritik des Chefökonomen der Generaldirektion Wettbewerb in der Kommission, Tommaso Valletti, an seinem Arbeitgeber halte. Valletti hatte am Freitag via Twitter kritisiert, Facebook habe 2014 gelogen, als es im Zuge des Verfahrens zur Übernahme von WhatsApp erklärte, die Nutzerprofile der verschiedenen Dienste nicht zusammenfügen zu können. Genau das kündigte Facebook jetzt aber an (einschließlich der Nutzerdaten von Instagram). „Ich weiß nicht, wer der Typ ist“, stammelte Clegg und offenbarte damit eine Wissenslücke, die man nicht vermutet hätte.

Fraglich ist auch, ob Cleggs Ankündigung, alle wahlwerbenden Parteien müssten sich für die Europawahl in allen Mitgliedstaaten als Werbeunternehmen registrieren lassen, wenn sie auf Facebook Anzeigen schalten wollen, die Sorgen vor Fake-News-Kampagnen zerstreuen kann. „Facebook hat nicht alle Antworten – aber die Regierungen auch nicht“, warb er um Einvernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2019)

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