Das Mädchen und der Friedensnobelpreis

Schauplatz der Verleihungen des Friedensnobelpreises: das Rathaus von Oslo.
Schauplatz der Verleihungen des Friedensnobelpreises: das Rathaus von Oslo.(c) TOBIAS SCHWARZ / AFP / picturede (TOBIAS SCHWARZ)
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Norwegische Politiker gaben bekannt, sie hätten die 16-jährige Umweltaktivistin Greta Thunberg für den Friedensnobelpreis angemeldet. Das Komitee in Oslo muss dazu schweigen. Bisher hat sich nur Trump als Nominierter geoutet.

Man möge also, so bestimmte der schwedische Chemie-Industrielle Alfred Nobel (1833–1896) in seinem Testament, ein Fünftel der Zinsen aus seinem Nachlass demjenigen zuweisen, der im vergangenen Jahr „am meisten oder besten auf die Verbrüderung der Völker, die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“. Jedenfalls müsse die Person „der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben“.

Das fünfköpfige Nobel-Komitee, das diesbezüglich auf seine Anleitung hin zur Preisvergabe von Norwegens Parlament (Storting) ernannt wurde, ehrte damit erstmals 1901 den Schweizer Rot-Kreuz-Gründer Henri Dunant und Frankreichs „Friedensliga“-Gründer Frédéric Passy – es sind bei allen fünf Nobelpreisen, also auch etwa jenen für Physik, Medizin etc., maximal drei Preisträger möglich, was beim Friedensnobelpreis aber selten vorkommt. Später folgten Größen wie Bertha von Suttner, Theodore Roosevelt, Fridtjof Nansen, Albert Schweitzer, Martin Luther King, Mutter Teresa und Nelson Mandela, Organisationen wie das Rote Kreuz, die UN-Blauhelme und die in Wien ansässige Internationale Atomenergieorganisation IAEO.

Ein Aufbegehren der Jugend

Wenn das Osloer Komitee auch heuer am 10. Dezember, Nobels Todestag, den oder die Preisträger ehrt, könnte eine Frau im Scheinwerferlicht stehen, die im Sommer 2018 die Bühne der Öffentlichkeit betreten hat, seither für einen Hype sorgt, aber auch für Kritik: Greta Thunberg, die 16-jährige schwedische Klimaschutzaktivistin. Sie war mit zuerst täglichem, dann nur noch freitäglichem Schulschwänzen bekannt geworden, das sie nützte, um vor dem Parlament in Stockholm für den Kampf gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Mittlerweile tut sie das auch im Ausland, besucht Konferenzen, hat viele meist junge Nachahmer, die damit Debatten über Verletzung der Schulpflicht, Ausübung des Demonstrationsrechts, jugendliches Aufbegehren und grundsätzliches Verständnis des Themas auslösen. Heute finden im Rahmen der Bewegung „Fridays for Future“ mehr als 1650 Kundgebungen in 100 Staaten statt, darunter auch in Österreich (etwa Linz, Wien, Bregenz).

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass drei Abgeordnete der norwegischen Sozialistischen Linkspartei SV und zwei schwedische Politiker Thunberg rechtzeitig zum Einsendeschluss (1. Februar) beim Komitee nominiert hatten. Begründung: „Weil die Klimabedrohung vielleicht einer der wichtigsten Beiträge zu Krieg und Konflikten ist“, so Freddy André Øvstegård von der VG. Das ist eine grün-sozialistische Partei, die elf von 169 Sitzen (6,5%) im Storting hält. Die „riesige Bewegung“, die Thunberg initiiert habe, sei ein enormer Beitrag zum Frieden.

Schweigegebot verletzt

In der Tat hat das Komitee, das stets aus respektablen Norwegern besteht, die aber seit 1936 keine aktiven Politiker sein sollen (jedenfalls keine Regierungsmitglieder und Parlamentarier), Nobels Preiswürdigkeitsdefinition allmählich über Friedensschaffung im engeren Sinn hinaus erweitert. Es fallen etwa auch Einsatz für Menschenrechte, Umwelt und bessere Landwirtschaft darunter.

Mitte Februar hat das Komitee, das seit 2017 die Anwältin und frühere Justizstaatssekretärin Berit Reiss-Andersen (64) leitet, mitgeteilt, man habe mehr als 300 Nominierungen für heuer angenommen (die Mitglieder können auch selbst nominieren). Ein Rekord: 2009 gab es 205 Vorschläge, 1971 noch 39. Extern nominierungsberechtigt sind u. a. Mitglieder von Regierungen, Parlamenten und des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, frühere Friedensnobelpreisträger, Professoren bestimmter Fakultäten (etwa Jus, Geschichte, Theologie), Friedensforschungsinstitute und Berater des Komitees.

Wer oder was allerdings auf der Liste der Nominierten steht, muss vom Nobelkomitee bis zur Bekanntgabe des Gewinners Mitte Oktober laut Statut geheim gehalten werden. Für die Namen jener, die leer ausgegangen sind, gilt das für mindestens 50 Jahre. Umgekehrt gilt es als taktlos und wider die Sitte, wenn Nominierende ihren Vorschlag öffentlich ausposaunen: Man tut das eigentlich nicht.

Die Causa Trump

Nicht zuletzt deshalb sorgte es im Februar für Stirnrunzeln, als US-Präsident Donald Trump tönte, Japans Premier, Shinzō Abe, habe ihn vorgeschlagen. Die „Washington Post“ bestätigte das unter Berufung auf japanische Offizielle. Japans Regierung schweigt. Abe sei einer Bitte der US-Regierung nachgekommen, weil sich Trump doch mit seinem ersten Treffen mit Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, im Juni 2018 in Singapur so für den Frieden in Asien eingesetzt habe.

Eigentlich war das eine Brüskierung des Japaners und eine Anmaßung Trumps. Wenn nun Thunberg von den Abgeordneten als Nobelpreiskandidatin enthüllt wurde, ist das ebenfalls ein fragwürdiger Zug, der ins aktivistische Schema passt. Es dürfte Kritiker stärken, die hinter Thunbergs Omnipräsenz deren ehrgeizige Eltern, NGOs sowie den schwedischen Unternehmer Ingmar Rentzhog sehen: Dessen Aktiengesellschaft We Don't Have Time wirbt per Social Media für Umweltschutz – und nutzte Thunberg zeitweise als Beraterin und Testimonial.

Der Friedensnobelpreis ist übrigens mit umgerechnet rund 850.000 Euro dotiert.

ZUR PERSON

Greta Tintin Eleonora Thunberg (*3.1.2003) ist eine Tochter der schwedischen Opernsängerin Malena Ernman und von Schauspieler Svante Thunberg. Angeblich wurde sie mit acht Jahren „hellhörig“ für Umweltfragen und bald Veganerin. Man diagnostizierte bei ihr das Asperger-Syndrom. 2018 startete sie in der Schulzeit mit Demos vor dem Parlament in Stockholm und trat eine Klimaschutzbewegung junger Menschen los. Kritiker werfen ihr vor, dass ihre Positionen zum Teil "engstirnig" und naiv" seien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2019)

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