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Hartwig Löger, der Kurzkanzler mitten im EU-Topjob-Poker

Archivbild. Der rote Teppich auf EU-Ebene ist dem Finanzminister und Interimskanzler Hartwig Löger nicht fremd.
Archivbild. Der rote Teppich auf EU-Ebene ist dem Finanzminister und Interimskanzler Hartwig Löger nicht fremd.APA/HERBERT NEUBAUER
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Bundeskanzler Löger ist auf EU-Ebene kein Unbekannter, feiert aber Premiere bei einem Staatschef-Gipfel. Für Österreich wird es vor allem spannend, wenn eine Expertenregierung entscheiden muss, wen Österreich als EU-Kommissar(in) nominiert.

Seit Wochen stand der Termin fest: Am Dienstag nach der EU-Wahl treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten zu einem Gipfel in Brüssel, um die Ergebnisse und Auswirkungen der Wahlen zu besprechen. Soll heißen: Wichtige Personalien werden anhand der neuen Machtverhältnisse diskutiert, verhandelt und Entscheidungen vorbereitet. Wer die Interessen des eigenen Landes vertreten will, muss geschickt taktieren, Allianzen schmieden, politisches Geschick zeigen. Und Österreich? Schickt einen Neuling in die Runde der Länderchefs, denn amtierender Kanzler ist derzeit Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP).

Der interimistische Bundeskanzler ist auf EU-Ebene aber kein Unbekannter. Löger leitete bisher als Finanzminister die Gruppe der zehn EU-Staaten, die im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit die Finanztransaktionssteuer einführen will. Während der EU-Ratspräsidentschaft im Vorjahr verhandelte Löger in seinem Ressort wichtige Dossiers wie die Digitalsteuer. Er habe schon Kontakte zu seinen europäischen Kollegen. Auf Ministerebene habe er gute Verbindungen, und daran könne er gut anknüpfen, sagte der Finanzminister unmittelbar nach seiner Angelobung als Übergangs-Kanzler vor Journalisten in der Hofburg. Seine neue Aufgabe gehe er genauso positiv an wie seine bisherige, sagte Löger. Er freue sich, die Verantwortung zu übernehmen.

Steht auch Löger hinter Weber?

Löger vertritt am Dienstagabend also den durch Misstrauensantrag gestürzten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Kurz hatte sich stets für den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber als nächsten EU-Kommissionspräsidenten stark gemacht. Widerstand gegen das Spitzenkandidaten-Modell gibt es von einigen Staats- und Regierungschefs. Da Kurz und Löger derselben Partei angehören, gilt es aber als wahrscheinlich, dass Löger die Linie seines Parteichefs fortsetzt und für einen Kommissionspräsidenten Weber eintritt.

Dem jugendlichen Altkanzler Kurz mag zwar durch äußere Umstände und sein gutes Netzwerk in der EVP viel Aufmerksamkeit zuteil geworden sein, dennoch ist Österreichs Stimme in der Personalfrage eine von vielen und hat wenig Gewicht.

Das Match um die Kommissars-Agenden

Österreich selbst hat derzeit keine realistische Personalie für einen der Topjobs auf EU-Ebene im Spiel. Es geht daher vor allem um die Frage der Ausgeglichenheit der Fraktionen, der Regionen, der Geschlechter - denn neben dem Kommissionschef sind auch die Posten von EU-Ratspräsident (bisher Donald Tusk aus Polen) und jener des EU-Parlamentspräsidenten zu besetzen.

Richtiges Lobbying für heimische Kandidaten wäre aus österreichischer Sicht für einen der wichtigeren Kommissars-Posten notwendig. Der Plan der alten Regierung und von Kanzler Kurz dürfte gewesen sein, mit Karoline Edtstadler eine Frau ins Rennen zu schicken. Kommissionspräsidenten hatten es in der Vergangenheit oft schwer, genügend nominierte Kandidatinnen aus den Mitgliedsländern zu bekommen. Mit einer Frau als Kommissars-Kandidatin hätte man möglicherweise eine bessere Auswahl an Ressorts gehabt - so das Kalkül.

Die Entscheidung, wer für Österreich EU-Kommissar wird, fällt aber nun in die Zeit der künftigen Experten-Regierung. Zögert diese zu lange und bringt einen geeigneten Kandidaten nicht rechtzeitig und am richtigen Ort in Stellung, könnten die wichtigen, weil budget- und prestige-reichen, Ressorts schon vergeben sein. Ein Kommissionspräsident Weber könnte sich allerdings auch für Unterstützung aus Österreich erkenntlich zeigen. Insofern ist das Verhalten Lögers beim Gipfel auch möglicherweise relevant für künftige Entscheidungen.

Hahn fordert „politischen Kopf“ für Verhandlungen

EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn hatte sich aufgrund der anstehenden Entscheidungen unmittelbar vor der Abstimmung im Nationalrat kritisch gegenüber der Vertretung Österreichs in der EU durch Experten gezeigt. In den Wochen nach der EU-Wahl gehe es in Brüssel darum, die Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten wahrzunehmen, erklärte er im Interview mit der "Die Presse“ [premium]. Hahns Chancen, Kommissar in der EU zu bleiben, sind durch den Regierungsabgang möglicherweise sogar gestiegen. Die türkis-blaue Regierung hatte ihn eher abberufen. Eine neue Übergangsregierung könnte am bisherigen Kommissar, der seinen Job ohne Tadel erledigt hat, möglicherweise festhalten.

Hahn tippte auf Weber als nächsten EU-Kommissionspräsidenten. Die Europäische Volkspartei habe sich mit einer klaren Mehrheit für ihn entschieden. "Das bindet ja auch die jeweiligen Regierungsmitglieder", so der EU-Kommissar. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani bestätigte am Dienstag nach Beratungen mit den Fraktionschefs, dass eine Mehrheit der Parteien diese Forderung unterstützt.

(klepa/Ag.)