Das Verhältnis der Wiener zum Strom, der die Stadt durchschneidet, ist kompliziert. Die Donau liegt alles andere als zentral, bildet eine Grenze zwischen Cis- und Transdanubien, ist nicht überall gut zugänglich und hat noch dazu mehrere Teile.
„W. besitzt als einz. österr. Bundesland keine eigene L.“ Der lapidare Eintrag in Felix Czeikes historischem Lexikon der Stadt Wien findet sich unter dem Punkt Landeshymne. Tatsächlich hat Wien kein vom Landtag offiziell zur Hymne erklärtes Musikstück. Inoffiziell sieht das allerdings schon anders aus. „So schön und blau durch Tal und Au wogst ruhig du hin, dich grüßt unser Wien“, dichtete Franz von Gernerth 1889. Dazu erklingt im Dreivierteltakt die bereits 1867 komponierte heimliche musikalische Identitätsstiftung der Stadt: „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss (Sohn).
„Dein silbernes Band knüpft Land an Land, und fröhliche Herzen schlagen an deinem schönen Strand.“ Nun, die Liebe der Wiener zu ihrem wichtigsten Fluss mag in weinseligen Gesängen und alten Heimatfilmen herzlich und innig wirken. Doch in Wirklichkeit ist es eine Beziehung, zu der das Attribut ambivalent passt – sagen wir so, es ist kompliziert.
Wo ist überhaupt der Strom?
Das beginnt schon mit der Lage. Londons City mit dem Tower oder das Parlamentsgebäude liegen direkt an der Themse. In Paris schmiegen sich etwa der Eiffelturm oder die Kathedrale Notre Dame an die Seine. Und in Wien? Können Besucher am Stephansplatz oder vor Schloss Schönbrunn nicht einmal erahnen, wo denn der viel besungene Strom eigentlich fließt. Bis zum Fluss ist es doch ein ziemliches Stückchen. Und den Donaukanal nördlich der City, einen alten Nebenarm, kann man selbst unbedarften Touristen wohl kaum als das silberne Band aus der inoffiziellen Landeshymne verkaufen.