Warum wollen Versandhändler, dass man bei ihnen Schulden macht?

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Manche Versandhäuser machen sich sehr viel Mühe, ihren Kunden Ratenkäufe einzureden. Warum wohl? Schaut man sich die Konditionen an, beginnt man es zu ahnen.

„Auf Sie ist Verlass!“ Immer wieder bekomme sie Briefe und Mails, die so beginnen, erzählt Versandhauskundin B. Das Unternehmen lobt sie – in mehr oder regelmäßigen Abständen – für ihre gute Zahlungsmoral. Das habe sie anderswo noch nie erlebt, sagt Frau B, und ja, sie freue sich darüber. Das postive Feedback habe sie weitaus mehr beeindruckt als die pampig formulierten Mahnschreiben, die sie im Lauf ihres Lebens auch schon hin und wieder bekommen hat. Wirklich motivierend sei das, und seither achtet sie - speziell bei diesem Versandhaus - sogar noch mehr darauf, alle Rechnungen überpünktlich zu bezahlen.

Auch über den Einkaufsrahmen von 2000 Euro, den der Händler ihr wegen ihrer Verlässlichkeit einräumt, freut sie sich. Denn damit kann sie, wenn es sein muss, auch einmal eine größer Anschaffung auf Rechnung tätigen. Ein beruhigendes Gefühl, sollte irgendwann der Gefrierschrank oder die Waschmaschine eingehen.

Nur eines versteht sie nicht: „Wenn der Händler schon so zufrieden mit meiner prompten Zahlungsweise ist – warum will es mir dann unbedingt einreden, dass ich bei ihm Schulden machen soll?“

1,65 Prozent Zinsen - pro Monat

Denn auch das werde ihr regelmäßig per Brief oder Mail suggeriert, meist kurz nachdem sie wieder einmal als verlässliche Zahlerin gelobt wurde, manchmal sogar mit derselben Post: Sie solle sich doch lang gehegte Wünsche jetzt sofort erfüllen. Und die Rechnung dann abstottern. In kleinen Teilbeträgen, „so wie es Ihnen am besten passt“. Sogar 50 Euro „schenken“ wolle ihr das Versandhaus für ihren ersten Ratenkauf – sofern der Kaufpreis mindestens 250 Euro ausmacht.

Die Sache müsse dem Händler also wirklich ein Anliegen sein, meint Frau B. Freilich eines, das sie nicht zu erfüllen gedenkt. Sie kann nämlich rechnen. Und die Firma macht auch gar kein Hehl aus den Sollzinsen, die für einen solchen Ratenkauf anfallen: im ersten Monat ist die Finanzierung gratis, dann zahlt man pro Monat 1,65 Prozent (also prozentuell nur unwesentlich weniger, als man derzeit z. B. für einen Wohnkredit bei der Bank fürs gesamte Jahr zahlen müsste). Aufs Jahr gerechnet kommt man auf stolze 19,8 Prozent Sollzinsen. Oder einen effektiven Zinssatz von 21,7 Prozent.

Immerhin legen seriöse Firmen all das sauber offen. Bei Universal Versand, Otto oder Quelle zum Beispiel, wo die Konditionen im Wesentlichen gleich sind, findet man auf der jeweiligen Website – so man sich die Mühe macht, hinzuschauen – sogar übersichtliche Kostentabellen.

Zinsen fressen „Einstandsgeschenk“ auf

Würde man demnach z. B. eine Ware um 550 Euro in 46 Monatsraten abstottern, müsste man unter dem Strich 792,79 Euro berappen. Kostet das Produkt 950 Euro, kommt man bei 47 Monatsraten auf stolze 1378,03 Euro. Und selbst bei „nur“ 250 Euro Kaufpreis zahlt man, wenn man sie auf 23 Raten verteilt, in Summe ein bisschen mehr als die 50 Euro, die Frau B. als „Einstandsgeschenk“ für ihren ersten Kauf auf Pump angeboten wurden.

Nun geht es gar nicht darum, dieses Angebot nach Strich und Faden zu verteufeln. Es kann ein Rettungsanker sein, sollte einem wirklich einmal zum falschen Zeitpunkt die Waschmaschine eingehen - gerade dann, wenn auf dem Konto Ebbe herrscht. Ein normaler Konsumkredit wäre dann zwar sicher billiger. Praktisch und flexibel sind die Teilzahlungsangebote der Händer jedoch, und man muss ja auch nicht die gesamte Laufzeit ausreizen.

„Aber warum will man mir das Schuldenmachen gar so nachdrücklich einreden?“ fragt sich Frau B. dennoch. Geht es dem Händler um den insgesamt höheren Kaufpreis? Oder hofft er, dass man dann womöglich immer mehr und noch mehr kauft, auch Dinge, die man nicht braucht?

„Sie können einen Kredit haben"

Auch bei ihrer Bank sei ihr im Übrigen schon Ähnliches passiert, erzählt sie: „Man hat mich angerufen und gesagt, ich möge doch zu einem Beratungsgespräch in die Filiale kommen.“ Auf mehrmalige Nachfrage sei man dann mit dem Grund herausgerückt: „Sie können einen Kredit haben.“ Ihren bestehenden hat sie nämlich bald abbezahlt. Nach einem neuen hat sie wohlgemerkt nie gefragt.

Aber sie ist eben eine verlässliche Zahlerin, das weiß auch ihre Bank. Würde sie jedoch all die Schulden machen, die man ihr einzureden versucht - dann könnte die Sache irgendwann kippen. Statt der Lobeshymnen kämen dann pampige Mahnbriefe. „Wird mir aber nicht passieren“, sagt Frau B. Rechnen kann sie nämich wirklich.

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