Das Sündenregister des Benjamin Netanjahu

Für Benjamin Netanjahu und seine Frau, Sara, ging es bei der Wahl auch darum, privates Ungemach abzuwenden.
Für Benjamin Netanjahu und seine Frau, Sara, ging es bei der Wahl auch darum, privates Ungemach abzuwenden.(c) APA/AFP/POOL/HEIDI LEVINE
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Für Premier Netanjahu geht es bei der Wahl um mehr als nur um seine Wiederwahl. Kann er eine Koalition bilden, entgeht er möglicherweise einer Anklage und einer Haftstrafe. In drei Punkten droht ihm Anklage wegen Korruption.

Jerusalem. Dass es ähnlich knapp wird, wie vergangenen April, davon war auszugehen. Für Netanjahu geht es bei der Knesset-Wahl um alles. Den Amtszeit-Rekord David Ben-Gurions, des Gründervaters Israels, hat er nach vier Legislaturperioden schon in der Tasche. Bei der Neuwahl stand nämlich nicht nur sein politisches, sondern auch sein privates Schicksal auf dem Spiel. Im schlimmsten Fall droht ihm eine Haftstrafe, wie dies auch bereits seinem unmittelbaren Vorgänger Ehud Olmert widerfahren ist. Für den 2. Oktober hat Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit, ein ehemaliger Mitarbeiter Netanjahus, die mehrmals aufgeschobene Anhörung des Premierministers in drei Korruptionsfällen angesetzt.

Kann Netanjahu eine Koalition bilden, entgeht er möglicherweise einer Anklage, indem er ein Immunitätsgesetz durchs Parlament bringt, das ihm Straffreiheit zusichert. Der Premier hat zwar angekündigt, auch im Fall einer Anklage im Amt zu bleiben. Die Frage ist allerdings, wie lange ihm seine Bündnispartner die Stange halten würden – bis zum Schuldspruch, der ihn definitiv zum Rücktritt zwingen würde?

„Es wird nichts sein“

Denn Abgeordnete seiner Likud-Partei könnten abfallen und ihn zum Rücktritt drängen. Angeblich hat er seine Partei auf Loyalität eingeschworen. Verliert er das Amt des Premiers, wird er indessen nicht umhinkommen, sich einem Verfahren zu stellen.

Generalstaatsanwalt Mandelblit wirft Netanjahu Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vor. Anfang des Jahres entschied er sich zur Anklage gegen den Regierungschef. Eine Verschiebung der Anhörung, die die Anwälte Netanjahus angeblich aufgrund des umfangreichen Materials, das sie sichten müssten, beantragten, lehnte Mandelblit ab. Die Anhörung war bereits wegen der Parlamentswahlen im April verschoben worden. Einzig um die Korruptionsaffären auf Eis zu legen, so meinten Kritiker damals, habe der Premier überhaupt Neuwahlen vorangetrieben.

Netanjahu steht unter dem Verdacht, Einfluss auf die Berichterstattung einer großen Zeitung und eines Nachrichtenportals genommen zu haben, und er soll teure Geschenke befreundeter Milliardäre angenommen haben. „Es wird nichts sein, denn es gibt nichts“, lautet das Mantra Netanjahus, der alle Vorwürfe von sich weist. Er sei Opfer einer Hetzjagd der Medien.

Erst nach der Anhörung, die Netanjahu Gelegenheit zur Darstellung seiner Sicht und Verteidigung geben soll, und die nach Ansicht von Rechtsexperten Monate dauern kann, wird entschieden, ob und in welchem Fall es zur Anklage kommt. Eine außergerichtliche Einigung schließt Netanjahu, der kämpfen will, um seine Unschuld zu beweisen, aus. Auf Empfehlung der Polizei entschied Mandelblit auf Anklage in drei Fällen: Akte 1000, Akte 2000 und Akte 4000.

Die Akte 1000 enthüllt eine Reihe von Gefälligkeiten Netanjahus gegenüber Arnon Milchan, einem milliardenschweren Geschäftsmann und Filmproduzenten. Netanjahu steht unter dem Verdacht, seine Beziehungen unter anderem dafür eingesetzt zu haben, um Milchan eine Verlängerung seines Visums in den USA zu verschaffen, wofür sich sein Freund mit teuren Zigarren, Schmuck und Champagner – oft nach expliziten Bestellungen von Ehefrau Sara Netanjahu – bedankte. Ein anderer zahlungsfähiger Freund Netanjahus ist der australische Milliardär James Packer. Insgesamt rund 250.000 Euro soll sich der Regierungschef über die Jahre von den beiden Milliardären zustecken haben lassen.

Medialer Einfluss

Die Akte 2000 dreht sich um den letztlich missglückten Deal Netanjahus mit Arnon Moses, Herausgeber der Tageszeitung „Jediot Ahronot“ und einer der mächtigsten Figuren in Israels Medienlandschaft. Netanjahu versprach Moses, Einfluss auf seinen Freund, den US-Kasinomogul Sheldon Adelson zu nehmen. Ihm gehört die marktführende, durch Anzeigen finanzierte Zeitung „Israel Hajom“. Es sei geplant gewesen, Adelson dazu zu bringen, die Wochenendausgabe der Zeitung einzustellen und die Auflage zu reduzieren. Im Gegenzug für Netanjahus Gefälligkeit soll Moses einer weniger kämpferischen Berichterstattung über ihn zugestimmt haben.

Die Akte 4000 geht zurück in die Zeit, als Netanjahu Kommunikationsminister war. Der Verdacht lautet, dass er dem marktbeherrschenden Telekom-Konzern Bezeq rechtliche Vergünstigungen gewährte, um bei dem zu dem Konzern gehörenden Nachrichtenportal Walla eine positivere Berichterstattung über sich und seine Familie zu erreichten. Laut Mandelblit habe Netanjahu wie auch seine Frau „hunderte Forderungen” an das Nachrichtenportal gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

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