Anwalt Wess ortet eine "tiefe Abneigung" gegen Ex-Minister Grasser. Anlass ist ein OGH-Urteil gegen den Ehemann der Richterin aufgrund Grasser-kritischer Tweets.
Der 107. Verhandlungstag im Korruptionsprozess um die Affären Buwog und Terminal Tower hat die Verteidigung des Hauptangeklagten, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, einen Ablehnungsantrag gegen die vorsitzende Richterin Marion Hohenecker eingebracht. Anwalt Norbert Wess wirft ihr einmal mehr vor, wegen Grasser-kritischer Tweets ihres Ehemannes, der ebenfalls Richter ist, befangen zu sein.
>>> Dossier: Der Grasser-Prozess [premium]
Aktueller Anlass für den Antrag der Verteidigung auf Ausschluss der Richterin aus dem laufenden Verfahren ist ein am Montag von der „Presse“ publik gemachtes Urteil des Obersten Gerichtshof (OGH) über vier Tweets, wofür nun Hoheneckers Ehemann zu einer disziplinarrechtlichen Geldstrafe verurteilt wurde. Der Anwalt des Richters kündigte an, dass sich der Richter nun an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden werde. Er sieht sein Recht auf freie Meinungsäußerung nicht berücksichtigt.
Bereits zu Prozessbeginn im Dezember 2017 hatte die Verteidigung Grassers die Tweets ihres Ehemanns dazu genutzt, um Hohenecker eine Befangenheit vorzuwerfen. Hohenecker betonte damals: „Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen." Den Antrag auf Ablehnung der Richterin vor rund eindreiviertel Jahren hielt Wess nun aufrecht, ergänzte ihn aber um neue Vorwürfe.
Stiefsohn der Richterin
So brachte er auch den Stiefsohn der Richterin ins Spiel, der laut OGH-Urteil im September 2015 einen der vier Tweets veröffentlicht haben soll. Dem sei offenbar eine Diskussion zwischen Vater und Sohn über eine "Tatort"-Folge im Fernsehen vorausgegangen. Das würde belegen, dass "im Hause Hohenecker eine tiefe Abneigung" gegen Grasser herrsche. Der Verteidiger äußerte sich auch über die politische Haltung des Stiefsohns und dass ihr Ehemann auf Twitter im "regen Austausch" mit "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk und dem Nationalratsabgeordneten Peter Pilz stehe.
Dem Antrag auf Ablehnung der Richterin schloss sich am Dienstag kein weiterer Angeklagter im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts an. Beim ersten Ablehnungsantrag im Dezember 2017 hatte noch Walter Meischbergers Anwalt ebenfalls eine mutmaßliche Befangenheit der Richterin vorgebracht. Der Schöffensenat zog sich daraufhin zur Beratung zurück - und lehnte den Antrag ab.
(APA/Red. )