Analyse

Klima zwischen Traum und Realität

Symbolbild.
Symbolbild. (c) Getty Images (Grafissimo)
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Von den Straßen und Plätzen bis (kurzzeitig) ins Parlament scheint eine Art Euphorie des Aufbruchs zu herrschen. Bloß: Die harten Fakten sprechen eine andere Sprache.

Ende September 2019 wurde einer der größten Tage der neuen, jungen Klimabewegung, die seit Monaten wachsende Präsenz zeigt. Es ist der Tag des „Earth Strikes“, Teil der weltweiten „Week for Future“, zu der Organisationen, allen voran die „Fridays for Future“-Bewegung, aufgerufen hatten. Millionen Menschen weltweit nahmen an dem „Streik“ teil - auch in Wien.

Klimaschutz als Jugendbewegung, wie man sie lang nicht gesehen hat. Auch der Nationalrat (ÖVP, SPÖ, Neos, Jetzt) sprach sich im September für die Ausrufung eines Klimanotstandes aus – aber während Österreich dafür international mit Schlagzeilen bedacht wurde, als sei man ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz, fordern Umweltorganisationen, dass diesem Bekenntnis nun Taten folgen müssen. Schließlich wisse man seit vielen Jahren, wie drängend die Probleme sind, wie weitab Österreich von Zielen liegt, zu deren Erreichen man sich verpflichtet hätte – Effekt hatte das kaum einen.

Am deutlichsten zeigen das die Emissionen: Diese sind laut Umweltbundesamt 2018 zwar erstmals seit Jahren gesunken (um 3,8 Prozent gegenüber 2017), aber das lag weitgehend an Einmaleffekten und weniger Verbrauch von Heizöl oder Erdgas (wegen eines milden Winters). Von der Zielen zur Emissionsreduktion ist man weit entfernt.

(c) Die Presse

Trendwende? Nicht in Sicht

In großen, emissionsintensiven Sektoren tut sich so gut wie nichts. Etwa im Verkehr, dem Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen. Hier spricht man gern von einer Mobilitätswende, träumt von autofreien Städten, von Vorrang für öffentlichen Verkehr, aber die Emissionen steigen. Seit 1990 sind sie im Verkehr um 71,8 Prozent gestiegen, auch in den letzten Jahren wurde mehr fossiler Kraftstoff abgesetzt. Dem entsprechen mehr im Auto gefahrene Strecken. Laut Auswertung von Eurostat-Daten durch den Verkehrsclub Österreich (VCÖ) vom Donnerstag hat der Autoverkehr in Österreich seit 2010 um 11,3 Prozent zugenommen, ein doppelt so starkes Plus wie im EU-Schnitt. Die Zahl im Auto gefahrener Personenkilometer in Österreich ist von 82 Mrd. (2017) auf rund 83 Mrd. Kilometer 2018 gestiegen.

Selbst in Wien, wo sich über die Jahre einiges in Richtung umweltfreundlicher Mobilität bewegt hat, ist der Anteil der im Auto zurückgelegten Wege 2018 gegenüber dem Vorjahr von 27 auf 29 Prozent gewachsen. Zwar werden generell auch mehr Kilometer mit Bahn, Bus oder städtischen öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren – aber das liegt an einer generellen Zunahme der Mobilität.

So ist auch beim nun viel geächteten Fliegen kein Rückgang der Emissionen in Sicht. Im Gegenteil, 2018 wurden im Flugverkehr (durch in Österreich getankten Flugtreibstoff) 2,61 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen – mehr als je zuvor, wie Daten von Umweltministerium und VCÖ zeigen.

Wie beim Verkehr das Fliegen trägt bei der Ernährung bzw. in der landwirtschaftlichen Produktion der Fleischverzehr den Stempel einer Klimasünde. Der Lust auf Fleisch tut das keinen Abbruch, der Fleischverbrauch pro Kopf (inkl. Geflügel) ist laut Agrarmarkt Austria 2018 mit 96 Kilo pro Kopf und Jahr weitgehend stabil geblieben. Österreich liegt hier international im Spitzenfeld. Zwar wachsen die Flächen, die biologisch bewirtschaftet werden, aber laut Außenhandelsstatistik wurde im ersten Halbjahr 2019 mehr Fleisch importiert als im Jahr zuvor. Generell kam es in der Landwirtschaft laut Umweltbundesamt 2018 aber zu etwas niedrigeren Emissionen.

Das Bewusstsein, anders mit Flächen, ob in der Landwirtschaft, mit Wäldern oder generell, umzugehen, wächst aber. So war der Flächenverbrauch zuletzt bei der Ausrufung des Klimanotstandes auch Thema im Parlament. Schließlich ist Österreich hier im EU-Spitzenfeld. 2018 wurden täglich laut Umweltbundesamt 10,5 Hektar (15 Fußballfelder) verbaut. Das lag minimal unter dem Drei-Jahres-Schnitt 2015 bis 2018, ist aber ein Vielfaches des Reduktionsziels von 2,5 Hektar pro Tag. Verbauung und Versiegelung wirken, Stichwort Städte, direkt als Hitzefaktor. Und ziehen eine Vielzahl ökologischer Probleme nach sich, der Boden verliert seine Funktionen, Arten verlieren Lebensraum, die Landwirtschaft verliert Flächen zur Versorgungssicherung, das Hochwasserrisiko steigt, weil Flächen zur Versickerung fehlen – und mehr Zersiedelung bringt mehr Verkehr.

Während Initiativen, Boden zu erhalten, mehr werden, hat man andernorts aufgegeben. Zumindest entsteht der Eindruck – ein krasser Kontrast zu den Protestbildern aus Städten – angesichts jüngster Bilder von Gletschern: Wenn diese, die lang als eindrucksvollste Zeugen des Klimawandels dienten, nun etwa im Tiroler Pitztal für den Skibetrieb ab- und umgebaggert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2019)

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