Im politischen Streit um die Frage, ob Rettungsschiffe den Schlepperbanden im Mittelmeer indirekt helfen, gibt eine neue Studie den Befürwortern einer harten Linie recht.
Brüssel. Wie wirkt sich die Anwesenheit von staatlichen und privaten Seenotrettern auf das Geschäft der Menschenschlepper im Mittelmeer aus? Das ist nicht bloß eine akademische Frage, sondern eines der heißesten politischen Streitthemen der EU. Denn wenn sich herausstellen sollte, dass die Retter unbeabsichtigt zu Helfershelfern der Schlepperbanden werden, weil sie das Risiko des Ertrinkens verringern (also zum „Pull-Faktor“ werden, der irreguläre Migranten anzieht), würden jene politischen Kräfte in Europa, die Bootsmigranten das Anlanden in EU-Häfen verbieten wollen, ein Argument auf ihrer Seite haben. Der rechtsautoritäre frühere italienische Innenminister und Vizeregierungschef Matteo Salvini, der genau so ein Verbot in seiner Amtszeit von Juni 2018 bis zum heurigen September verfügt hatte, wäre bestätigt.
Mehr seeuntüchtige Boote
Eine neue Studie gibt den Verfechtern dieser harten Linie in der Frage recht, ob Seenotrettung die irreguläre Migration attraktiver macht. „Such- und Rettungsoperation stellen die Schmuggler eindeutig besser, weil sie in der Lage sind, zumindest teilweise die Sicherheitsgewinne der Operationen für sich einzunehmen. Seerettungsoperationen hatten die unbeabsichtigte Folge einer gestiegenen Zahl von Überfahrten und der Verlagerung der Überfahrten von sicheren Booten auf weniger sichere“, resümieren Claudio Deiana (Universität Cagliari), Vikram Maheshri (Universität Houston) und Giovanni Mastrobuoni (Universität Turin) in ihrem Papier mit dem Titel „Irregular Migration and the Unintended Consequences of Search and Rescue Operations in the Central Mediterranean Sea“. Die Forscher bauten ihre Studie, welche die Jahre 2009-2017 erfasst, auf Daten der italienischen Küstenwache, der EU-Grenz- und Küstenwache Frontex sowie von Nichtregierungsorganisationen auf.