Ärzte klagen über schlechten Turnus

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Rund ein Drittel der Jungärzte ist mit der Ausbildung unzufrieden, nur 22 Prozent vergeben die Note "Eins". Kritikpunkte: Fehlende Betreuung durch Vorgesetzte und zu wenig Kontakt zu Patienten.

Wien. Schreibarbeiten, Blut abnehmen, Infusionen auswechseln: Mit einer echten medizinischen Ausbildung für Jungärzte hat der Turnus in Österreichs Spitälern oft nur wenig zu tun. Die Turnusärzte selbst leiden unter dieser Situation – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Klinikums Wels-Grieskirchen, die am Montag offiziell präsentiert wird. Rund ein Drittel der Turnusärzte ist mit der „derzeitigen Anstellung“ unzufrieden, nur 22 Prozent vergeben (bei einer Bewertung nach Schulnotensystem) die Note „Eins“.

Das hat das Market-Institut bei einer österreichweiten Meinungsumfrage unter 268 Betroffenen herausgefunden. Besonders negativ wird die dreijährige Ausbildung zum Allgemeinmediziner im Osten Österreichs beurteilt – dort zeigen sich 37Prozent unzufrieden. Am zufriedensten sind die Jungärzte in westösterreichischen Spitälern, in denen nur 16Prozent die Note „Drei“ oder schlechter vergaben.

Je länger sie schon im Spitalsbetrieb sind, desto unzufriedener sind die Betroffenen. Das sei besonders problematisch, heißt es beim Market-Institut. Handle es sich doch um „junge Personen, die noch ein langes Berufsleben vor sich haben und hoch motiviert und begeistert“ sein sollten.

Viel Zeit für Verwaltungsarbeit

Politisch ist der Turnus derzeit heiß umstritten: Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP), die die Abwanderung von heimischen Medizin-Absolventen nach Deutschland bremsen will, bestand mehrfach auf der Abschaffung. Ein Praxisjahr gegen Ende des Studiums soll an die Stelle des Turnus treten – wer seinen Abschluss hat, solle sofort mit einer Facharztausbildung beginnen. Für die Allgemeinmediziner solle eine solche neu geschaffen werden, so die Forderung. Parallel sollen Ärzte vom Administrationsaufwand entlastet werden: Karl forderte im „Presse“-Gespräch die Einführung des Berufs des Dokumentars, der Verwaltungsaufgaben und Hilfstätigkeiten übernehmen solle.

Für diese werden vor allem Turnusärzte herangezogen: Sie verwenden rund 47 Prozent ihrer Arbeitszeit für Administration, das ergab eine Studie im Auftrag der Ärztekammer. Auch anderen Ärzten blieben nur 63Prozent ihrer Zeit für die Betreuung von Patienten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Market-Analyse, die die Schwachstellen in der Ausbildung abgefragt hat. 33 Prozent klagten über zu viel „administrative Arbeit und zu viele Tätigkeiten, die eigentlich das Pflegepersonal macht“. Verbesserungsbedarf sehen die Befragten auch bei der „Betreuung durch Oberärzte“ (20Prozent). Weitere 13 Prozent bemängeln die schlecht geregelten Dienstzeiten, neun Prozent klagen über zu wenig Kontakt zu Patienten.

Warnung vor Ärztemangel

Jene Erwartungen, mit denen die Uni-Absolventen in den Job starten, sind damit nicht erfüllt. Mehr als die Hälfte erwartet vom Spital „hohe Qualität in der Ausbildung“, 41 Prozent nannten die gute Einbindung in das bestehende Ärzteteam. Mehr als ein Viertel erhofft sich „eigenständiges Arbeiten“, elf Prozent wollen in Entscheidungen eingebunden werden.

Raimund Kaplinger, Geschäftsführer des Klinikums Wels-Grieskirchen, das die Studie in Auftrag gegeben hat, fordert ein „Umdenken in der gesamten Struktur“, von der Ausbildung bis zur Organisation der Spitäler. Sonst könne das Personal in Zukunft nicht auf dem Markt gehalten werden: „Wir müssen rasch handeln, damit die Versorgung weiterhin auf diesem Niveau erhalten bleiben kann.“ Gefordert wird in Wels – wie seit Jahren fast überall in Oberösterreich – auch eine Linzer Medizin-Uni. Nur so könne der steigende Ärztebedarf gedeckt werden. Zumindest davon will man im Ministerium jedoch nichts hören.

AUF EINEN BLICK

Nur ein Fünftel der Jungärzte ist mit dem Turnus, der in Österreich üblichen dreijährigen Ausbildung zum Allgemeinmediziner, zufrieden. Uni-Ministerin Beatrix Karl (ÖVP) forderte zuletzt die Abschaffung: Die Studenten sollten bereits an der Uni ein Praxisjahr einlegen. So solle der Beruf attraktiviert und der Medizinerschwund in Richtung Deutschland minimiert werden. In Fachkreisen gab es Applaus, die SPÖ fürchtet finanzielle Nachteile für Medizinstudenten, die so zu „Gratisarbeit“ gezwungen würden.

(c) Die Presse / JV

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2010)

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