Pensionsreform

Streiks über Weihnachten: Der Verkehr in Paris steht still

APA/AFP/LUDOVIC MARIN
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Am 24. Dezember wurde der Nahverkehr von Paris in die Vorstädte komplett eingestellt. Viele Menschen konnten nicht zu ihren Familien fahren. Am Weihnachtstag kam der öffentliche Verkehr fast zur Gänze zum Erliegen.

Das streikbedingte Chaos im öffentlichen Nahverkehr hat die Feiertagsstimmung zehntausender Franzosen getrübt. Am Heiligen Abend - dem 20. Protesttag gegen die geplante Pensionsreform - verkehrten nur 40 Prozent der TGV-Schnellzüge regelmäßig. Am Dienstagabend wurde der Nahverkehr von Paris in die Vorstädte komplett eingestellt. In der Hauptstadt fuhren nur die beiden automatisch betriebenen Linien im üblichen Takt, auch mehrere mehrere Metrolinien blieben stehen.

Zehntausende Franzosen, die die Feiertage mit ihren Familien verbringen wollten, saßen wegen ausfallender Züge fest. "Wir wissen nicht, was wir tun sollen", sagte der 66-jährige Joel Rossignon, der aus dem Osten Frankreichs in die Hauptstadt angereist war, um Weihnachten mit seinem außerhalb von Paris lebenden Sohn zu verbringen. "Wir haben versucht, ein Taxi vorzubestellen - schon gestern, aber es gab keine", fügte er hinzu.

Die Streiks sind auch am Christtag weitergegangen. Der öffentliche Verkehr in Paris kam am Mittwoch nahezu zum Erliegen. Die großen Bahnhöfe in der Hauptstadt blieben am 21. Streiktag in Folge komplett geschlossen; im Untergrundverkehr waren nur die beiden automatisch betriebenen Metro-Linien in Betrieb.

Taxis, Fahrgemeinschaftsdienste und Mietwagenfirmen waren von der großen Nachfrage überfordert. TGV-Schnellzüge sollten frühestens ab Mittwochnachmittag wieder fahren, kündigte die Verkehrsgesellschaft SNCF an. Der Einnahmeausfall belaufe sich mittlerweile auf 400 Millionen Euro, sagte SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou der Zeitung "Le Monde".

Drei statt einer Stunde in die Arbeit

Zwar unterstützt ein Großteil der Franzosen den Streik der Gewerkschaften weiter, doch die Zustimmung sank zuletzt um drei Prozentpunkte auf 51 Prozent, wie eine Umfrage des Instituts Ifop vom Sonntag ergab.

Der 27-jährige Chemiker Juno Dormevil sagte, er habe Verständnis für die Streiks in einigen Sektoren, etwa in der Pflege, "jedoch nicht für die Eisenbahner". Die Belastung durch den Streik bezeichnete er als einen "täglichen Kampf". Für seinen Arbeitsweg brauche er inzwischen drei Stunden statt einer. "Ich habe keine anderen Transportmittel", fügte er hinzu.

Doch nach dem Scheitern der Verhandlungen in der vergangene Woche kündigten die Gewerkschaften eine Fortsetzung der Proteste auch über die Feiertage hinweg an. Es gebe "keinen Grund", den Streik "plötzlich" einzustellen, sagte der Generalsekretär der Eisenbahnergewerkschaft CGT, Laurent Brun, der kommunistischen Zeitung "L'Humanité".

Erstmals seit 1803 keine Messe in Notre Dame

Die Rentenreform ist ein zentrales Reformversprechen von Präsident Emmanuel Macron. Er will das komplizierte System mit 42 verschiedenen Regelungen vereinheitlichen und das Milliarden-Defizit der Rentenkassen abbauen. Besonders umstritten ist die faktische Anhebung des Eintrittsalters von derzeit 62 auf künftig 64 Jahre.

Die Verhandlungen mit den Gewerkschaften sollen am 7. Jänner fortgesetzt werden, wie das Büro von Premierminister Edouard Philippe am Montag mitteilte.

Nicht nur die Streiks aber störten die üblichen Weihnachtsfeierlichkeiten der Franzosen: Wegen der teilweisen Zerstörung von Notre-Dame durch den verheerenden Brand im April haben die Katholiken in Paris die Weihnachtsmesse erstmals seit zwei Jahrhunderten nicht in der berühmten Kathedrale feiern können. Die Gläubigen kamen am Dienstagabend stattdessen in der wenige hundert Meter entfernten Kirche Saint-German l'Auxerrois am Louvre-Palast zusammen.

Nur während der französischen Revolutionsjahre zu Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Notre-Dame keine Gottesdienste abgehalten. In den Jahren ab 1803 konnten die Pariser dann aber immer in der Kathedrale Weihnachten feiern - sogar während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg.

Bei dem Brand am 15. April waren das Dach und der Spitzturm der weltberühmten gotischen Kathedrale zerstört worden. Auslöser des Brandes war Ermittlern zufolge vermutlich eine brennende Zigarette oder ein Kurzschluss bei Bauarbeiten am Dach. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Brandstiftung.

(APA/AFP)

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