Der Überraschungssieger aus Südkorea hebt sich auf vielerlei Art von typischen Gewinnerfilmen ab. Könnte das bitte öfter gewürdigt werden?
Ja, wir wissen mittlerweile, was Oscars bringt. Eine große Marketingkampagne, damit die Academy-Mitglieder, die über die Gewinner abstimmen, einen auch ja nicht übersehen. Stars in ungewöhnlichen, extremen, körperlich oder seelisch schlauchenden Rollen (man will sie leiden sehen!). Und natürlich gibt es inhaltliche Oscar-Faktoren: Traditionell preisträchtig sind historische Stoffe, aufwendig erzählt („12 Years a Slave“), Heldengeschichten, mit einem gerade verträglichen Maß an Pathos („Green Book“), und Einblicke in die glamouröse Welt des Showbusiness („Birdman“). Kurz: Je wuchtiger, desto Oscar!
Unter den heurigen Nominierten waren viele Favoriten, die in diese Kategorien passen. Viele von ihnen sind auch gute Filme. Aber: Dass sie nicht gewonnen haben, sondern die schlaue Gesellschaftssatire „Parasite“ aus Südkorea (der mit einem Bruchteil des Produktionsbudgets der „Großen“ auskam), ist ein Triumph für die kleineren, feinen Filme, die dafür sorgen, dass das Kinoprogramm interessant bleibt. Das gilt es zu feiern.
Wo andere Filme auf die Pauke hauen, lacht sich Bong Joon-hos „Parasite“ ins Fäustchen. Wo andere blasiert und selbstzufrieden wirken, wird er mit jeder Plot-Wendung ausgefeilter. Derart ausgefuchste Charaktere wie die Familie Kim, die sich Trick für Trick von ihrer heruntergekommenen Souterrain-Bleibe, wo sie W-Lan schnorren muss, in die luxuriöse Sichtbeton-Villa der reichen Familie Park schleicht, wollen wir öfter sehen. Und auch die Art, wie der Klassenkampf hier inszeniert wird, darf gerne öfter gewürdigt werden: Hier gibt es keine Helden und Bösewichte, sondern Menschen, die für ihre Familie das Beste wollen – und dafür zu unterschiedlich drastischen Mitteln greifen: Die einen zu Campingausflügen und Kunsttherapie, die anderen zu Photoshop und Chilisauce.