Luft schnappen, den Kopf frei bekommen, das Immunsystem stärken – und den Quarantänealltag auflockern: Spazierengehen ist – mit Abstand! – erlaubt.
Schrittweise ins Freie

Die Renaissance des Spaziergangs

Die Coronakrise beschränkt das Freizeitangebot, aber lässt den klassischen Spaziergang wieder aufleben: Auf der Suche nach neuen Blickwinkeln in der altvertrauten Umgebung.

Es war im Sommer 1822, während eines Spazierganges in den Ausläufern Wien Döblings, als der Schauspieler Heinrich Anschütz seinem späteren Freund Ludwig van Beethoven begegnete. Anschütz sah, wie er später notierte, „einen Mann gelagert, in etwas ungeordneter Kleidung, den gedankenschweren, geistreichen, wildschönen Kopf in die linke Hand gestützt, und den Blick auf ein Notenblatt geheftet“. Er wusste sofort, wen er vor sich hatte, und so verweilte Anschütz ein wenig, um den Komponisten bei seiner Arbeit in der freien Natur zu beobachten. Bis Beethoven plötzlich den Kopf hob. Anschütz, ertappt, stammelte eine Entschuldigung. „Der Weg“, sagte ihm Beethoven, „ist für jedermann.“ „Darf ich wissen, was da gerade im Entstehen ist?“ „Dummes Zeug, ein Orchesterstück, das ich hier aufführen will, um die Gelsen und Ameisen zu vertreiben.“

Beethoven war ein stadtbekannter Spaziergänger, viele romantische Darstellungen seiner Person ab dem 19. Jahrhundert nehmen Bezug darauf. Der Spaziergang als Quelle für Inspiration, als Entschleunigung, als sanfter Sport, als Methode, um Knoten im Kopf zu lösen: In Tagen der Ausgangsbeschränkung entdecken wir diesen Zeitvertreib neu. Denn sehr viel mehr kann die Bevölkerung während der Coronakrise nicht machen im Freien. Der Spaziergang erlebt eine Renaissance, nicht nur im grünen Döbling, wo der Maestro gerne verweilte. „Mit allen Sinnen zu Fuß“, heißt sodann die Aktion, die der österreichische Verein für Fußgänger, Walk Space, angesichts der aktuellen Lage ins Leben gerufen hat. Die positiven Auswirkungen des Gehens dürften hinlänglich bekannt sein, die Stärkung des Immunsystems hebt Martina Strasser von Walk Space besonders hervor. Und: Beim Gehen erhält die Lunge zehn Mal mehr Sauerstoff als im Ruhezustand.

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