Kulturpolitik

Ulrike Lunacek tritt als Kulturstaatssekretärin zurück

PK STS LUNACEK: ?PERSOeNLICHE ERKLAeRUNG?
PK STS LUNACEK: ?PERSOeNLICHE ERKLAeRUNG?APA/HANS KLAUS TECHT
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Die grüne Kulturstaatssekretärin war zuletzt wegen des Vorgehens der Regierung in Sachen Corona-Maßnahmen im Kulturbereich heftig kritisiert worden. Sie soll nun eine Nachfolgerin bekommen.

Ulrike Lunacek tritt als Staatssekretärin für Kunst und Kultur zurück. Das teilte sie am Freitag bei einer Pressekonferenz mit.

„Ursprünglich wollte ich Ihnen heute die Öffnungsmöglichkeiten für Veranstaltungen sowie neue finanzielle Unterstützungen ankündigen“, sagte die grüne Politikerin. Sie habe diese Woche aber gemerkt, dass der Druck und die Kritik aus der Kunst- und Kulturbereich nicht weniger geworden sei, obwohl man Verbesserungen erreicht habe. Sie sei mit ihren Stärken nicht mehr weitergekommen, habe keine Chance mehr bekommen. In der Coronakrise „ist mir das, wofür ich mich mit aller Kraft einsetzen wolle, nicht im nötigen Ausmaß gelungen“.

Lunacek bekommt Nachfolgerin

Die frühere Vizepräsidentin des EU-Parlaments sagte, sie habe ihre weitreichenden Netzwerke für den Kunst- und Kulturbereich Österreichs einsetzen wollen. Das habe sie Grünen-Chef Werner Kogler zugesagt, als dieser sie am Silvesterabend gefragt habe, ob sie als Staatssekretärin der Regierung angehören wolle. „Ich mache Platz für jemanden anderen“, sagte Lunacek nun.Wer das sein wird, wurde noch nicht mitgeteilt. Nur eines ist fix: Lunacek wird eine Nachfolgerin bekommen. Die Grünen haben sich selbst zumindest Geschlechterparität vorgeschrieben - bei zwei Ministerinnen und zwei Ministern würde ein Staatssekretär das Geschlechterverhältnis zugunsten der Männer kippen. Vizekanzler Kogler kündigte am Freitag an, die Nachfolge werde man Anfang kommender Woche fixieren.

Lunacek schickte jedenfalls in ihrem Abschiedsstatement noch nach, sie sorge sich um den Kulturstandort Österreich: Dieser sei von prekären Verhältnissen geprägt und brauche dringend mehr Geld, um weiterhin „in der Weltliga des Kunst- und Kulturlebens eine führende Rolle“ einnehmen zu können.

Auch Appelle an Kurz und Kogler

Im Umgang mit den für die Kulturbranche verheerenden Maßnahmen gegen die Coronakrise war Lunacek schwer in die Kritik geraten. Der Vorwurf vor allem: Die Europa-Expertin Lunacek habe keine fachliche Expertise im Kunst- und Kulturbereich. Neos und FPÖ hatten ihren Rücktritt gefordert, während andere Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den zuständigen Minister - also Vizekanzler Kogler - zum Handeln aufgerufen hatten.

So wandte sich am Donnerstag Josefstadt-Theaterdirektor Herbert Föttinger direkt an Kurz: „Sie, Bundeskanzler Kurz, müssen sich zu dieser Kulturnation bekennen. Laut und deutlich. Wenn die Kulturnation nach dieser Pandemie nicht mehr existiert, sind Sie verantwortlich.“ Gerhard Ruiss von der IG Autoren forderte indes Kogler auf, „als Kunst- und Kulturminister in der Regierung in Erscheinung zu treten“. Eine Neubesetzung des Staatssekretariats würde das „derzeitige Planungsdesaster“ nicht besser machen, meinte Ruis.

Besetzung sorgte für Verwunderung

Im Zuge des Vorgehens der Staatssekretärin in der Coronakrise war auch die Besetzung des Kulturstaatssekretariats durch die Grünen bei der Regierungsbildung mit der ÖVP per se zum Gespräch geworden. Dass Lunacek, die als Außenpolitikerin und langjährige Delegationsleiterin der Grünen sowie Vizepräsidentin im EU-Parlament ein hohes Ansehen genießt und 2017 als Spitzenkandidatin der Grünen deren Fall aus dem Nationalrat mitzuverantworten hatte, für die Kunst- und Kulturagenden abgestellt worden war, hatte damals für Verwunderung gesorgt. „Die Presse“ schrieb damals, im Jänner, über die türkis-grüne Dynamik hinter der Besetzung des Staatssekretariats: „Es ist eine Geschichte der Selbstfesselung und der Dominanz.“ >> Wie Ulrike Lunacek letztlich Staatssekretärin wurde [premium]

Insbesondere, weil die Grünen mit Eva Blimlinger eine ausgewiesene Frau vom Fach in den eigenen Reihen gehabt hätten: Die langjährige Rektorin der Wiener Akademie der bildenden Künste „hätte den Job gern gemacht“, wie Blimlinger selbst diese Woche in einem Interview sagte. Sie persönlich, meinte Blimlinger weiter, könne die Kritik an Lunacek verstehen - gleichzeitig sei aber auch Kogler gefordert, den man in seiner Rolle als zuständiger Minister in die Pflicht nehmen müsse. Blimlinger will Lunacek übrigens nicht als Staatssekretärin beerben. Sie will im Nationalrat bleiben, wo sie den Kulturausschuss leitet.

Lunaceks Arbeit als Kulturstaatssekretärin war allerdings auch schon vor der Coronakrise in die Kritik geraten. Zum ersten Mal ließ sie mit der Aussage aufhorchen, dass sie im Fall Peter Handkes „die Entscheidung der Literaturnobelpreis-Jury nicht nachvollziehen“ könne; zu einem Bob-Dylan-Konzert in Wien sagte sie: „Das war langweilig, sorry.“ Proteste bis hinauf zu Kunstsenat und Kunstkurie waren die Folge.

Zur Person

Bei den Grünen respektiere man Lunaceks Entscheidung, zurückzutreten, wie Klubchefin Sigrid Mauer am Freitag sagte: „Ulrike Lunacek hat großartige politische Arbeit für die Grünen geleistet und damit auch die Partei nachhaltig geprägt.“ Sie habe auch in schwierigen Phasen für die Grüne Partei Verantwortung übernommen - und in vielen Bereichen Pionierarbeit geleistet: „Als engagierte Feministin, Vorkämpferin für ein vereintes Europa und auch als erste geoutete lesbische Nationalratsabgeordnete.“Ulrike Lunacek, *26. Mai 1957 in Krems/D., studierte an der Universität Innsbruck Englisch- und Spanisch-Dolmetsch. Seit den 1990er-Jahren bei den Grünen aktiv, 1996 Bundesgeschäftsführerin. 1999 Nationalratsabgeordnete, 2009 Wechsel ins Europaparlament. Dort war sie Vizepräsidentin, Berichterstatterin für den Kosovo und machte sich als europapolitische Expertin mit Schwerpunkten im Frauen-, Gender- und Sozialbereich einen Namen.

Bei ihrem zweiten Antritt als Spitzenkandidatin für eine EU-Wahl erzielten die Grünen im Jahr 2014 14,5 Prozent und damit bis dato das historisch beste Ergebnis bei einem bundesweiten Urnengang. Dafür gab es 2017, als sie unter widrigsten Bedingungen als Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl einsprang, eine arge Niederlage - und den Rauswurf der Grünen aus dem Nationalrat.

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