Türkei/Österreich

Geheimdienstexperte: "Kein echter Spion"

KURDEN-DEMO IN WIEN-FAVORITEN
KURDEN-DEMO IN WIEN-FAVORITENAPA/FLORIAN SCHRÖTTER
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Die mutmaßliche türkische Agentin in Österreich sei eher eine bloße Informantin, sagt Thomas Riegler. Und: Österreich habe bisher oft weggesehen, um weiter ein Begegnungsort zu bleiben.

Der Geheimdienstexperte Thomas Riegler hat sich wenig überrascht über die Festnahme einer mutmaßlichen türkischen Spionin in Österreich gezeigt, deren Rolle aber zugleich relativiert. Die betreffende Person sei "kein echter Spion, sondern ein Informant", erläuterte er am Mittwoch im APA-Gespräch.

"Es ist ein altes Gesetz in der Spionage, dass man Leute unter Druck zur Zusammenarbeit überredet", sagte der Experte mit Blick auf Informationen, wonach die mutmaßliche Spionin zuvor in der Türkei inhaftiert gewesen sei. Auf die Frage nach der Größe des türkischen Informantennetzes in Österreich verwies Riegler auf frühere Schätzungen des damaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz, dass es "mindestens 200 Informanten" gebe. Dies sei "das größte Netz nach jenem der Russen", so Riegler.

Riegler wies darauf hin, dass die Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 "in ganz Europa die Anstrengungen verstärkt" habe. In Frankreich habe es Mordfälle gegeben, in der Schweiz seien Diplomaten wegen eines Entführungsplans ausgewiesen worden. Zudem hätten in Österreich mehrere Staaten "ein Interesse daran, dass sie die Diaspora auskundschaften", verwies Riegler konkret auch auf den Iran und Tschetschenien.

"Das Besondere in Österreich ist die politische Komponente", sagte Riegler mit Blick auf die aufgeheizte politische Debatte über die Türkei hierzulande. Nach den Krawallen in Wien-Favoriten und den Vorwürfen, wonach diese von außen gesteuert seien, hätten die Behörden "liefern müssen". Dass bei Demonstrationen mitgefilmt werde, sei nämlich schon länger "gang und gäbe" gewesen. Bei den Krawallen in Favoriten sei nun eine Person aufgefallen. "Der Fahndungsdruck führt dazu, dass sich jemand im Netz verfängt."

Österreichs Warnsignale

Riegler stellte den Fall in einen breiteren Kontext ausländischer Geheimdienstaktivitäten im Land. Mit Verweis auf die jüngst erfolgte Ausweisung eines russischen Diplomaten betonte Riegler, es handle sich um einen "Schuss vor den Bug" sowie "ein Warnsignal, dass man sich bei uns nicht alles erlauben kann". In der Vergangenheit habe Österreich nämlich "oft weggeschaut" und "gewähren lassen", sagte Riegler. Man habe nämlich ein Interesse daran gehabt, Österreich als internationalen Begegnungsort zu erhalten. "Wenn man zu repressiv vorgeht, ruiniert man sich den Begegnungsort."

Allerdings hätten in den vergangenen Jahren immer mehr Staaten rote Linien überschritten und die österreichische Gastfreundschaft verletzt, so Riegler. Er verwies diesbezüglich etwa auch auf die Festnahme eines iranischen Diplomaten wegen Terrorvorwürfen und die jüngste Tötung eines tschetschenischen Regimekritikers in der Nähe von Wien.

Im Fall der Türkei komme dazu, dass die türkische Community immer mehr "ein Teil von Österreich" werde und durch diese Konflikte "die Sicherheit in Österreich zunehmend gefährdet wird". Deshalb sei ein Wegschauen nicht mehr möglich. Zudem könne man mit einem harten Vorgehen "auf der innenpolitischen Front nur gewinnen", sagte Riegler in Richtung der ÖVP-geführten Bundesregierung.

(APA)

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