Herrn Schakfehs blaue Wahlkampfhilfe

Wien hat eine Moschee. Dafür wird nun eine in Kärnten verlangt. Wie man eine absurde Debatte entfacht.

Bravo! Danke, Herr Schakfeh! Ihnen ist gelungen, was die dummdreisten Texter der FP-Wahlkampfbrigade noch nicht schafften: im Wiener Wahlkampf eine völlig überflüssige Moscheen-Debatte vom Zaun zu brechen. (Ähnlich sinnvoll ist nur noch die Burka-Verbotsdebatte ohne Burka.) Der blaue Slogan mit dem Wiener Blut, das, wie jeder Telefonbuchhalter weiß, schon immer eine Mischkulanz verschiedenster Völker war, hat zwar für Aufregung und die übliche automatisierte Entrüstung gesorgt. Es blieb aber dem Chef der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, vorbehalten, der FPÖ Anlass und Munition für die üblichen absurden, denk- und rechtsfreien Forderungen zu liefern (vom Einwanderungsverbot für Muslime bis zum Burka- und Minarett-Verbot, das Kebab-Verbot kommt noch).

Schakfeh will den verstärkten Moscheenbau. Pro Bundesland soll jeweils deutlich sichtbar ein muslimisches Gotteshaus gebaut werden, eher heute als morgen, soweit wir ihn verstanden haben. Das Aufheulen der FPÖ und ihrer orangen Exfreunde war progammiert. Unschuldig meinte Schakfeh ein paar Stunden, nachdem die Austria Presse Agentur die Aussagen verbreitet hatte, er habe nicht wegen des Wiener Wahlkampfs Stellung bezogen, sondern, weil in seiner Glaubensgemeinschaft ebenfalls Wahlen bevorstünden. (Die übrigens mehrmals verschoben wurden, weil alles so wahnsinnig kompliziert war. Daher muss Schakfeh tapfer noch ein bisschen weiter Präsident spielen.) Nein, er kann sich nicht nach den Wiener Wahlterminen richten.

Es heißt bereits: Aha, darf man nur wegen der FPÖ nichts mehr sagen? Darf man plötzlich das Recht auf freie Religionsausübung nicht mehr einfordern? Doch, man darf. Aber man darf auch deutliche Kritik an der Politik der Islamischen Glaubensgemeinschaft formulieren, ohne gleich im Boot mit Heinz-Christian Strache zu sitzen. Ist es nicht gerade Herr Schakfeh, der ständig Fingerspitzengefühl und die Vermeidung von Missverständnissen auf nicht muslimischer Seite verlangt? Der so gern darauf hinweist, wie wichtig stille Vermittlung und Politik sind. Der sofort beleidigt reagiert, wenn ihm eine Aussage einmal nicht so gut gefällt. Der gern gegen den Stil der politischen Zuspitzung auftritt.

Nein, diese Aussagen, oder besser: der Zeitpunkt, zu dem sie getätigt wurden, kann nur zweierlei Ursachen haben: Entweder ist Schakfeh der arme naive Moslem-Vertreter, der weder Medien noch Politik des Landes kennt. Dann stellt sich die Frage, was der Mann in diesem sensiblen Job bisher zu suchen hatte. Oder er hat ein echtes Motiv für diese Aussagen. Das kann – weil sich jeder halbwegs denkfähige Mensch die Reaktion ausrechnen kann – nur eines sein. Schakfeh wollte wohl unter dem sorgenvollen Blick von SPÖ und Grünen genau das: das Opfer verbaler Aggression sein. Im bequemen Status des zu Unrecht Angegriffenen kann er auf die Solidarität aller FPÖ-Feinde und vor allem auf die Zustimmung der selbstbewusster auftretenden Muslime zählen. Auch, wenn insgesamt die Stimmung weiter kippt.

Es ist eine Tatsache, dass viele – vielleicht ohne logischen Grund – ein Problem in der Expansion des Islam sehen. Wenn in einer Stadt Kirchen aufgegeben werden, denken sonderbarerweise viele nicht nur an die nachlassende Attraktivität der Kirche, sondern an die Aufgabe eines wichtigen Stücks kultureller Identität. Wenn durch jahrzehntelange Nicht-Integrationspolitik einer Stadt zeitgleich ein Niedergang ganzer Viertel wie etwa von Teilen Wien Favoritens passiert, wird das subjektive Gefühl, einer Verlierergruppe anzugehören, noch größer.


Um hier keinen falschen Verdacht zu erwecken: In Österreich müssen die Angehörigen aller anerkannten Religionen die Möglichkeit haben, diese auszuüben. Also auch in Gotteshäusern. Allerdings haben die Menschen, die in deren Umgebung leben, das Recht, ein Problem damit zu haben und das zu artikulieren. Beide Seiten müssen einen Modus Vivendi finden, der beides erlaubt. Die Diskussion ausgerechnet im Wahlkampf zu beginnen ist sicher nicht die richtige Methode, diesen Modus zu finden.

Ein Ansatzpunkt: Moscheen würden die unzähligen, teils sonderbar anmutenden Kulturvereine und Kellerbetlokale vielleicht ersetzen, was nicht nur dem Stadtbild guttäte. In Wien gibt es eine der geforderten Moscheen, von der Schakfeh spricht. Reicht ihm die? Gut. Und braucht Kärnten wirklich eine? Und wer legt das fest? Der Staat, den das eigentlich nichts angehen sollte? Vielleicht wäre es bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft an der Zeit, auch selbst Verständnis und Rücksicht zu üben.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2010)

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