„Zero Hora“ wurde zur besten Zeitung für junge Leser gekürt. Produktdirektor Marcelo Rech: „Auch Papier kann cool sein.“
Ja die Jugend. Die hält vom Zeitunglesen sowieso nichts. Oder? Die Tageszeitung „Zero Hora“, die im südbrasilianischen Porto Alegre ihren Sitz hat, zeigt, dass es auch anders geht. Das Blatt wurde von der Weltorganisation WAN-Ifra mit dem Preis für „Junge Leser“ ausgezeichnet. Das Erfolgsrezept erklärt Marcelo Rech, Produktdirektor von „Zero Hora“ im Medienkonzern RBS, so: „Die meisten Zeitungen haben die jungen Leser aufgegeben. Wir denken durchgehend an die Jungen. Wir verbannen ihre Themen nicht in Ghettos, nicht in Beilagen oder auf bestimmte Seiten, wir haben einen durchgehend jungen Zugang – inhaltlich und im Design.“ Die Strategie macht sich bezahlt: 24Prozent der Leser sind zwischen 13 und 24. 173.658 Exemplare verkauft das Blatt von Montag bis Samstag, 245.718 am Sonntag.
Ein Drittel der Belegschaft im Newsroom ist unter 30 Jahre alt – daraus wurde eine Fokusgruppe gebildet, die Themen evaluiert, Artikel kritisiert: „Die bringen viel frischen Wind.“ Dadurch entstehe ein „konstanter Erneuerungsprozess“, so Rech, es gebe keine Dogmen – alles dürfe hinterfragt und verändert werden. Denn „Zero Hora“ stünde, was die junge Zielgruppe angeht, ja vor den gleichen Herausforderungen wie andere Printmedien: „Die meisten sind via Internet verbunden, wobei die Nutzungsintensität bei uns viel höher ist als in den USA oder Europa. Ich glaube aber nicht, dass Zeitung altmodisch ist – auch Papier kann cool sein. Das Problem ist nicht das Medium. Das Problem ist der Inhalt.“
„Können das Internet nicht kopieren“
„Wenn das, was in einem Medium steht, für die jungen Leute uninteressant ist, dann werden sie es nicht lesen. Das gilt nicht nur für die Zeitung – sie würden sich auch im Web nicht dafür interessieren“, ist er überzeugt. „Wir können das Internet nicht kopieren – weder von der Geschwindigkeit noch von den Möglichkeiten, miteinander in Kontakt zu treten. Jeder kann heute Reporter oder Blogger sein, es ist leicht, im Web jemand zu sein oder 200 Freunde auf Facebook zu haben. Aber die traditionellen Medien können zeigen, was relevant ist.“ Seine Zeitung mache das z.B. über Foto- oder Mal-, Ideen- oder Schreibwettbewerbe, wie zuletzt, als Teenies vor den Wahlen Texte über ihre Hoffnungen für die Zukunft einsenden konnten. „Da erhöht sich natürlich gleich der Status, wenn etwas in der Zeitung erscheint. Auf Facebook veröffentlichen – das ist ja heute nichts mehr.“
„Zeitungen müssen relevant sein“, betont Rech noch einmal. Für die Jungen seien etwa Ausbildung und Karriere von Bedeutung. „Da machen wir eine Menge Artikel und Beilagen, auch Events.“ Und man wolle nützlich sein – etwa mit Bewertungen über die Berufe mit den besten Jobchancen. Die Jugendplattform Kzuka gestalte freitags eine Beilage für Teenies – „die schreiben aus der Sicht der Jungen“.
Zehnzeiler für die Leser unter zehn
„Zero Hora“ setzt aber noch früher an: „Wir können keine jungen Leser gewinnen, wenn sie nicht schon mit acht oder neun Jahren in unsere Zeitung schauen.“ Also werden die wichtigsten Themen des Tages in der Zeitung in kindgerechte Texte „von zehn, maximal 15 Zeilen“ übersetzt – auch Schwieriges aus Wirtschaft und Politik. Die Themen werden in der Redaktionskonferenz ausgewählt, die Redakteure schreiben die Texte selbst. „Das ist ein großer Erfolg geworden. Die Kinder verstehen oft nicht, was sie im Fernsehen oder im Internet sehen.“ vers/i.w.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2010)