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Bislang 68 Festnahmen nach Kapitol-Sturm

Trump supporters breach the US Capitol
Trump supporters breach the US CapitolREUTERS
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Rufe nach einer Amtsenthebung Trumps werden lauter - auch in den Reihen der Republikaner. Die Verkehrsministerin trat als erstes Kabinettsmitglied ab.

Donald Trumps Kampf gegen das Ergebnis der von ihm verlorenen US-Präsidentenwahl scheint vorbei: Der Kongress hat trotz eines Sturms von Anhängern des noch amtierenden Präsidenten auf den Parlamentssitz den Sieg von Joe Biden bestätigt. Trump kündigte danach an, dass er sich nicht mehr gegen die Übergabe der Amtsgeschäfte am 20. Jänner stellen werde. Wegen seiner Verantwortung für die Ereignisse im Kapitol mit vier Toten nehmen Rufe nach einer Amtsenthebung gegen den scheidenden Präsidenten zu.

Der scheidende Präsident hatte mit unbelegten Behauptungen über massiven Wahlbetrug bei einem Auftritt am Mittwoch abermals die Stimmung seiner Anhänger angeheizt. Daraufhin zogen sie auf seine Aufforderung hin zum Kapitol - und stürmten den nur spärlich gesicherten Parlamentssitz. Die beiden Parlamentskammern waren gerade dabei, das Wahlergebnis offiziell zu bestätigen. Die Sitzung musste für mehrere Stunden unterbrochen werden, die Abgeordneten wurden in Sicherheit gebracht und konnten den Wahlsieg Bidens erst in der Nacht auf Donnerstag besiegeln.

Mindestens 14 Verletzte

Während der Attacke auf das Kapitol starben nach Polizeiangaben vier Menschen. Nach dem Eindringen von Trump-Unterstützern wurde im US-Kapitol eine Frau von einem Polizisten angeschossen und starb wenig später, wie der Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, sagte. Der Polizist sein den Vorgaben entsprechend vorübergehend vom Dienst entbunden worden.

"Darüber hinaus wurden heute drei weitere Todesfälle aus der Umgebung des Kapitols gemeldet", sagte er. "Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten." Bei den Zusammenstößen seien zudem mindestens 14 Polizisten verletzt worden, zwei davon schwer. Bei zwei am Mittwoch in Washington entdeckten Rohrbomben handelte es sich nach Polizeiangaben um gefährliche Sprengsätze.

„Inlandsterrorismus“ 

Die Bürgermeisterin der US-Hauptstadt, Muriel Bowser, nannte die gewaltsame Stürmung des Kapitols einen klaren Fall von "Inlandsterrorismus" und forderte, Trump für den "beispiellosen Angriff auf unsere Demokratie" zur Rechenschaft zu ziehen. Die Polizei in Washington nahm im Laufe des Abends 68 Personen fest und unterstützte die Polizeikräfte des US-Kapitols, hieß es.

In Videos und Fotos war zu sehen, wie Trump-Anhänger die Kapitol-Polizei überrannten, Türen und Fenster einschlugen und im Sitzungssaal und in Abgeordnetenbüros für Bilder posierten. Erst nach einigen Stunden wurden sie von einem großen Aufgebot von Sicherheitskräften aus dem Gebäude gedrängt. Sie hinterließen zum Teil verwüstete Büros.  Der FBI sammelt nun über eine Webseite Fotos und Videos aus dem Kapitol.

Sperre auf Social Media für Präsident

Das beispiellose Chaos in Washington war der dramatische Schlusspunkt eines Feldzugs von Trump gegen den Wahlausgang. Der Republikaner hatte die Wahl Anfang November mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Biden verloren. Trump weigerte sich aber, seine Niederlage einzugestehen und behauptete, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen klaren Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten aber stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden von Gerichten abgeschmettert.

Trumps Bereitschaft zu einer geordneten Machtübergabe wurde am Donnerstag von seinem Vertrauten Dan Scavino per Twitter mitgeteilt. Der Präsident selbst wurde bei dem Kurznachrichtendienst vorübergehend gesperrt, nachdem er in einem Video seine Sympathie für die Kapitol-Angreifer geäußert hatte: "Wir lieben euch. Ihr seid sehr besonders." Später schrieb er in einem weiteren Tweet, solche "Dinge und Geschehnisse" passierten eben, wenn "ein Erdrutschsieg" gestohlen werde. "Erinnert Euch für immer an diesen Tag!", schob er nach. Twitter blockierte die Beiträge und sperrte Trumps Account für mindestens zwölf Stunden. Die Sperre wird erst aufgehoben, wenn er das Video und den weiteren Tweet löscht. Facebook sperrte Trumps Accounts bei dem Online-Netzwerk und auch der Fotoplattform Instagram bis auf weiteres - und mindestens bis zur Amtsübergabe an Biden, wie Firmenchef Mark Zuckerberg bekannt gab.

Biden: „Höhepunkt“ von Trumps „Verachtung“ für Demokratie

Biden bezog am Donnerstag neuerlich Stellung zu den Vorgängen im Kapitol. Der gewaltsame Sturm des Kapitols sei eine Folge der anhaltenden Angriffe Trumps auf die Demokratie. Der amtierende Präsident habe in seiner vierjährigen Amtszeit die "Verachtung" für die Demokratie in Amerika sehr deutlich gemacht, sagte Biden am Donnerstag in Wilmington im Bundesstaat Delaware.

"Von Anfang an hat er einen kompletten Angriff auf die Institutionen unserer Demokratie ausgeführt", sagte Biden mit Blick auf den Republikaner Trump. Die Vorfälle vom Mittwoch seien "der Höhepunkt dieses unablässigen Angriffs" gewesen, sagte er. Biden bezeichnete Trumps Anhänger, die unmittelbar nach einer Rede des Republikaners das Kapitol gestürmt hatten, als "inländische Terroristen". Den gewaltsamen Sturm des Kapitols nannte er "einen der dunkelsten Tage in der Geschichte" der Vereinigten Staaten. Der Mob habe versucht, die Stimmen von fast 160 Millionen Amerikanern, die trotz der Pandemie gewählt hätten, "zum Schweigen zu bringen", sagte Biden. Es sei ein "beispielloser Angriff auf unsere Demokratie" gewesen, sagte er.

Kommt es zur Amtsenthebung?

Nach Trumps Verhalten nehmen Rufe nach einem neuerlichen Amtsenthebungsverfahren gegen den scheidenden Präsidenten zu. Die demokratische Kongressabgeordnete Ilhan Omar teilte auf Twitter mit, sie fertige bereits Artikel zur Anklageerhebung an. Zudem berichteten US-Medien, dass mehrere Kabinettsmitglieder der Trump-Regierung die Möglichkeit diskutiert hätten, Trump mit Hilfe des 25. Zusatzartikels der Verfassung aus dem Amt zu entfernen. "Was gestern im US-Kapitol passiert ist, war ein Aufstand gegen die Vereinigten Staaten, aufgehetzt durch den Präsidenten", erklärte der demokratische Senator Chuck Schumer am Donnerstag. "Dieser Präsident sollte keinen Tag länger sein Amt behalten."

Auch die Führerin im Repräsentantenhaus, die Demokration Nancy Pelosi, bekräftigte am Donnerstag, dass ihre Partei bereit sei, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Jeder Tag, an dem Trump noch im Amt sei - Biden wird am 20. Jänner angelobt - habe das Potenzial, eine „Horror-Show“ für die US-Amerikaner zu werden.

Als erster republikanischer Abgeordnete forderte auch Adam Kinzinger, der Trump zuletzt wiederholt kritisiert hatte, den Präsidenten mit Hilfe des 25. Verfassungszusatzes des Amtes zu entheben. Das Kabinett und der Vizepräsident müssten nun handeln, um "diesen Alptraum" zu beenden. Anstatt Amerika zu beschützen, habe Trump die Gewalt angestachelt, sagte er. "Der Präsident hat das verursacht."

Mehrere Republikaner warfen Trump vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt. Sein früherer Stabschef Mick Mulvaney trat am Donnerstag aus Protest vom Posten des Nordirland-Beauftragten zurück. Verkehrsministerin Elaine Chao, die zugleich Ehefrau des mächtigen Senats-Mehrheitsführers, Mitch McConnell, ist, zog als erstes Regierungsmitglied ebenfalls nach. Finanzminister Steven Mnuchin verurteilte den Sturm auf das Kapitol.

(APA/dpa/Reuters)

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