Koran-Verbrennung: Eine Provinzposse als Staatsaffäre

Eine Provinzposse Staatsaffaere
Eine Provinzposse Staatsaffaere(c) EPA (STEVE JOHNSON)
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Das Hin und Her um Koran-Verbrennung in Florida entpuppte sich als bizarre Farce. An der Seite von Imam Muhammad Musri, dem Führer der Moslem-Gemeinde von Orlando, lenkte Jones erstmals ein.

Washington. Die Pressekonferenz im Weißen Haus sollte sich eigentlich ganz allein um die Wirtschaft drehen und darum, wie der Präsident gedenke, das Land aus dem finsteren Tal der Krise zu führen. Es sollte um Themen gehen wie Konjunkturimpulse und Steuererleichterungen – Themen, die die Amerikaner unmittelbar betreffen.

Stattdessen war Barack Obama jedoch wieder einmal mit Terry Jones konfrontiert – dem obskuren, rotwangigen Pastor mit dem Walrossbart –, der Konfusion um dessen Koran-Verbrennung und dem geplanten islamischen Kulturzentrum in der Nähe von „Ground Zero“: ein explosiver Mix, der die moslemische Welt, die Führer der Weltreligionen und nicht zuletzt die Politik aufgewühlt hat. Eine Provinzposse in Florida hat sich zu einer Staatsaffäre aufgebläht.

Appelle an Provokateur

Zu diesem Zeitpunkt, Freitagmittag, Ortszeit in Washington, hatte Jones zum zweiten Mal innerhalb von 15 Stunden zum Ende des Fanals geblasen. Während sich seine Anhängerschar in der Kirche des „Dove World Outreach Center“ in einem Vorort von Gainesville mit Pistolen bewaffnet verschanzt hielt, verhandelte Jones mit Gott und der Welt. FBI-Leute statteten ihm einen Besuch ab, Verteidigungsminister Robert Gates meldete sich am Telefon, die gesamte politische und religiöse Nomenklatura der USA appellierte an den Provokateur, von seinem Vorhaben abzulassen – dem Spiel mit dem Feuer.

Auf einen Anruf des Präsidenten wartete er indes vergeblich. Das Weiße Haus war im Ungewissen, wie es am Vorabend des Gedenkens des 9/11-Terrors auf den spintisierenden Reverend reagieren sollte. Die Regierung wollte ihm nicht zu viel Beachtung schenken, um ihn nicht noch mehr aufzuwerten. Gates wandte ein, seine Pressekonferenzen im Pentagon seien besser besucht als dessen Predigten. Ein völliges Ignorieren verbot jedoch die Staatsräson.

Die Lage vor dem Gotteshaus erinnerte an einen Belagerungszustand. Satellitenwagen der TV-Stationen parkten am Straßenrand, umringt von Reportern gab der Pastor im Stundentakt einen Bericht über seine Befindlichkeit ab.

„Zeichen Gottes“

An der Seite von Imam Muhammad Musri, dem Führer der Moslem-Gemeinde von Orlando, lenkte Jones erstmals ein. Die vermeintliche Zusicherung, das islamische Kulturzentrum in Manhattan zu verlegen, hatte ihn einstweilen umgestimmt. Er sah darin ein „Zeichen Gottes“. Imam Feisal Abdul Rauf, ein moderater Geistlicher und Spiritus rector des Kulturzentrums in New York, wollte sich indes nicht auf einen Tauschhandel einlassen: „Wir werden weder mit unserer noch mit einer anderen Religion spielen.“ Darauf revidierte Jones seine Meinung: „Wir sagen die Veranstaltung nicht ab, wir setzen sie aus.“ In der Nacht zum Freitag war indes wieder alles anderes. Er plante, am Samstag nach New York zu fliegen, um Imam Rauf zu treffen. Und um die Farce komplett zu machen, schaltete sich noch der New Yorker Baulöwe und PR-Profi Donald Trump ein. Er bot an, der islamischen Investorengruppe das Gebäude um einen 25 Prozent höheren Preis abzukaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2010)

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