Ein umstrittenes dänisches Gesetz zur Überstellung von Asylwerbern in Drittstaaten sorgt für Zustimmung in Österreich. Aus Brüssel erntet Kopenhagen scharfe Kritik.
Die rigorose Asylpolitik Dänemarks dient Bundeskanzler Sebastian Kurz schon lange Zeit als Vorbild – die jüngsten Pläne aus Kopenhagen sind da keine Ausnahme. Vor einer Woche verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das juristisch wie ethisch zahlreiche Fragen aufwirft: Asylwerber sollen künftig nach der physischen Einreichung ihres Antrags in Drittländer ausgeflogen werden, wo sie in eigens errichteten Zentren auf ihre Bescheidung warten müssen. Selbst bei positivem Ausgang wird der betreffende Asylwerber nicht nach Dänemark zurück gebracht, sondern soll in dem Drittland bleiben oder aber in ein Flüchtlingslager der UNO verlegt werden. Der Vorschlag kam von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen selbst – die Sozialdemokratin, seit knapp zwei Jahren im Amt, gilt auf EU-Ebene als enge Verbündete des österreichischen Kanzlers.
„Wenn jemand in Dänemark um Asyl ansucht, wird er es künftig in dem Bewusstsein tun, in ein Land außerhalb Europas zurück geschickt zu werden. Wir hoffen daher, dass die Menschen aufhören werden, hier ihre Anträge zu stellen“, erklärte der sozialdemokratische parlamentarische Migrationssprecher Rasmus Stoklund in einem viel beachteten Interview für die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt DR.
Bis zur Umsetzung des Vorhabens dürften aber jedenfalls Monate, wenn nicht gar Jahre vergehen: Kopenhagen ist es bisher nicht gelungen, konkrete Abkommen für den Bau der geplanten Zentren mit Drittländern abzuschließen. Mit Ruanda, Tunesien, Äthiopien und Ägypten sei die Regierung zumindest in ersten Gesprächen, berichtete die Zeitung „Jyllands Posten“.
Für Innenminister Karl Nehammer ist all das Grund genug, noch im Juni nach Kopenhagen zu reisen und sich dort im Detail über die Pläne zu informieren. Das neue Gesetz sei ein „spannender Ansatz, wie Migrationspolitik nachhaltig bewältigt werden kann“, so der ÖVP-Politiker nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am vergangenen Dienstag in Luxemburg.
Kritik aus Brüssel
Die Brüsseler EU-Kommission teilt diese Einschätzung nicht – im Gegenteil. „Unter geltendem EU-Recht ist die externe Bearbeitung von Asylanträgen nicht möglich“, betonte ein Sprecher der Behörde gegenüber Journalisten. Es handle sich zudem um eine Abkehr von der internationalen Schutzverpflichtung für Flüchtlinge. So sieht das auch das UN-Flüchtlingshochkommissariat. Die Organisation treibt die wohl berechtigte Sorge, dass die dänischen Pläne anderswo in der EU Anhänger finden und somit einen Dominoeffekt auslösen könnten. Denn gänzlich neu ist die Idee der „Ausschiffung“ von Asylwerbern bekanntlich nicht: Nach Beginn der großen Flüchtlingskrise im Jahr 2015 wurden von unterschiedlicher Seite immer wieder Asylzentren in Nordafrika oder auch am Westbalkan ins Spiel gebracht, bisher aber vor allem wegen der mangelnden Bereitschaft der betroffenen Zielländer nicht realisiert.
Kommentar von Wolfgang Böhm
Auch andere Vorhaben existieren bisher nur auf dem Papier. So muss die EU-Kommission ihre über Jahre getragene Hoffnung, eine Einigung im Streit um einen gerechten Verteilmechanismus Asylsuchender unter den 27 Mitgliedstaaten zu erreichen, wohl endgültig zu Grabe tragen. Neben den Viségrad-Ländern sind es eben Dänemark und Österreich, die sich vehement gegen ein solches Verteilsystem stellen. Beim Treffen der Innenminister am Dienstag kamen stattdessen die effizientere Gestaltung von Asylverfahren und schnellere Rückführungen zur Sprache.
Brüssel gegen Grenzkontrollen
Mit Verweis auf den nach wie vor mangelhaften Außengrenzschutz haben einige EU-Länder – neben Österreich und Dänemark sind dies Deutschland und Frankreich – temporäre Grenzkontrollen bei der EU-Kommission angezeigt. Doch die Behörde will diesen Zustand im eigentlich grenzfreien Schengenraum nicht dauerhaft akzeptieren. Gespräche mit den betreffenden Ländern sind geplant, heißt es nun. Sollten die Kontrollen unverhältnismäßig verlängert worden sein, müssen die betreffenden Mitgliedstaaten mit Vertragsverletzungsverfahren rechnen.