Chef der "Katastrophenfirma" verhaftet

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Der Generaldirektor Zoltán Bakonyi sitzt in Untersuchungshaft, während das von ihm geleitete „Schlammkatastrophenunternehmen" MAL per Gesetz quasi verstaatlicht wurde. Selbst die Opposition applaudierte.

Budapest/Wien. Noch am Wochenende hatte Zoltán Bakonyi, Generaldirektor der „Schlammkatastrophenfirma“ MAL, gemeinsam mit MAL-Mehrheitseigner Lajos Tolnay eine Pressekonferenz abgehalten. Am Montag saß er hinter Gittern. Die ungarische Polizei nahm ihn fest, während Premier Viktor Orbán im Parlament die Quasiverstaatlichung des Unternehmens bekannt gab. Selbst die Abgeordneten der Opposition applaudierten.

„Früher sind die Milliardäre immer davongekommen, es haben sich höchstens einzelne Meteorologen, Portiere oder sonstige arme Kerle die Knöchel angehaut“, sagte Orbán. „Wir müssen hier und jetzt zeigen, dass heute in Ungarn eine andere Welt regiert.“ Der Regierungschef zählte als wichtigste Aufgaben die Entschädigung aller Opfer, das Zur-Kasse-Bitten der Verantwortlichen und „die sichere Wiederaufnahme der Produktion in der Tonerdefabrik“ auf. Das werde aber nicht mehr die private Gruppe um Tolnay verantworten.

Noch am Montag verabschiedete das Parlament eine Gesetzesänderung, nach der MAL quasi verstaatlicht wird. Vorerst übernimmt ein neu bestellter Katastrophenschutzbeauftragter die Kontrolle. „Wir werden nicht zulassen, dass Geld abgezogen wird“, beteuerte Orbán. MAL werde für den Schaden aufkommen müssen. Dieser dürfte etwa 74 Millionen Euro betragen. Das ist sogar für MAL ein beachtlicher Brocken. Der Umsatz, der 2007 noch 50 Mrd. Forint betragen hatte, ist infolge der Wirtschaftskrise im Vorjahr auf 22,8 Mrd. Forint gesunken. Immerhin sind das aber noch 0,1Prozent des ungarischen BIPs. MAL gehört damit zu den größten Industrieunternehmen Ungarns mit zuletzt 1100 Mitarbeitern.

Das ist wohl die einzige Auflage, die seit der Privatisierung 1997 eingehalten worden ist. Damals sagten die neuen Besitzer, die auch andere Teile des zerschlagenen einstigen Staatsmolochs Hungalu übernommen hatten, einen Mindest-Beschäftigtenstand von 900 Personen zu. Da sie das Unternehmen um den symbolischen Betrag von zehn Mio. Forint erhalten hatten, verpflichteten sie sich, binnen fünf Jahren fünf Mrd. in die Firma zu investieren, zu drei Viertel in Umweltmaßnahmen. Im Gegenzug wurden ihnen Schulden erlassen. Ob die Umweltauflagen erfüllt worden sind, hat jetzt der Katastrophenschutzbeauftragte zu klären.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2010)

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