Arbeitsmarkt

Arbeitslosigkeit erstmals unter Vorkrisenniveau

Arbeitsminister Martin Kocher
Arbeitsminister Martin KocherAPA/BKA/CHRISTOPHER DUNKER
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Die Arbeitslosigkeit ist innerhalb einer Woche erneut um 4600 Personen gesunken. Inklusive Schulungsteilnehmer gibt es aber immer noch mehr von Arbeitslosigkeit Betroffene als vor der Coronakrise.

Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter: Die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen (ohne Schulungsteilnehmer) hat erstmals seit Beginn der Krise das Niveau der Vergleichswoche von 2019 vor der Coronakrise unterschritten. Mit 268.028 beim AMS gemeldeten arbeitslosen Personen gibt es um 1129 Arbeitslose weniger als 2019, teilt das Arbeitsministerium mit. Nimmt man alle Arbeitslosen inklusive Schulungsteilnehmer, ist die Gesamtzahl mit 335.058 (2021) immer noch höher als 2019 mit 329.083.

Derzeit gibt es 67.030 Schulungsteilnehmer, in der Vergleichswoche 2019 waren es 59.926 Personen in Schulungen.

Die Arbeitslosigkeit ist innerhalb der letzten Woche um rund 4600 Personen gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr 2020, das noch stärker von der Coronakrise geprägt war, sind derzeit um rund 78.200 Personen weniger beim AMS arbeitslos gemeldet.

Gleichzeitig gebe es mit rund 120.000 freien Jobs einen Rekord an offenen Stellen, allerdings mit regionalen Unterschieden: Während in Wien ein Stellenmangel vorherrscht, suchen Betriebe in vielen anderen Bundesländern verstärkt nach qualifizierten Arbeitskräften. Die Anmeldungen zur Kurzarbeit liegen derzeit bei 62.387, wobei jedoch die tatsächlichen monatlichen Abrechnungen entscheidend sind.

Arbeitsminister Martin Kocher und Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) zeigen sich in einer Aussendung erfreut übe die sinkenden Arbeitslosenzahlen. Die Maßnahmen der Bundesregierung hätten gewirkt, Österreich erhole sich schneller als erwartet von den Folgen der Weltwirtschaftskrise.

"Die Wirtschaft wächst weiter und wir müssen dafür sorgen, dass nun jene, die arbeiten können auch arbeiten gehen, die offenen Stellen besetzt werden und der Aufschwung bei allen ankommt", so Kurz. Für Kocher kam das Erreichen des Vorkrisenniveaus "weitaus schneller als ursprünglich erwartet". Jetzt konzentriere man sich weiter auf Qualifizierungsmaßnahmen und die Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit. Dazu werden in Kooperation mit dem AMS viele Jobbörsen veranstaltet. "Die Überwindung der Krise am Arbeitsmarkt zeigt zudem einmal mehr, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um einen Reformdialog zur Arbeitslosenversicherung Neu zu starten", so Kocher in der Aussendung.

Im "Ö1-Mittagsjournal" des ORF-Radio erklärte Kocher, besonders starke Rückgänge der Arbeitslosigkeit habe es im Handel, im Gesundheits- und Sozialwesen gegeben. In Wien sei der absolute Rückgang sehr groß, der relative Rückgang sei in Oberösterreich am größten. Er rechne mit einer Fortsetzung des Trends: Natürlich werde die Arbeitslosigkeit im Herbst wegen saisonaler Effekte leicht steigen, aber im Vergleich zu 2019 werde sie immer geringer werden.

Gewerkschaft fordert Aufstockung der Notstandshilfe

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) fordert angesichts der hohen Zahl der Langzeitarbeitslosen die Fortführung der Aufstockung der Notstandshilfe, bis die Krise vorbei ist. Die Regelung würde sonst Ende September auslaufen. Viele Langzeitarbeitslose, besonders Ältere, werden von Unternehmen oft gar nicht mehr eingestellt, erklärt Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB. Neben speziellen Qualifizierungsprogrammen für Langzeitarbeitslose brauche es auch Einstellungsprogramme für Unternehmen. Der ÖGB fordert, bei den Unternehmen anzusetzen, anstatt auf Arbeitssuchende "hinzuhauen" und sie als arbeitsunwillig darzustellen. "Die Menschen in dieser schwierigen Situation zusätzlich damit zu bestrafen, dass sie noch weniger als das Arbeitslosengeld bekommen, ist nicht nachvollziehbar."

Für den ÖVP-Wirtschaftsbund sind die aktuellen Arbeitsmarktzahlen ein Grund, seine Forderung nach einem degressiven Arbeitslosengeld und einer Änderung der Zuverdienstgrenze für Arbeitslose erneut anzubringen. "Dass die Arbeitsmarktlage wieder Vorkrisenniveau erreicht hat, zeigt deutlich, dass sich unsere Wirtschaft im Aufschwung befindet. Nun ist es umso wichtiger, diesen Aufschwung nicht durch fehlende Arbeitskräfte zu bremsen", so WB-Generalsekretär Kurt Egger. Mit diesen Reformen sollten möglichst viele Arbeitssuchende in Beschäftigung gebracht werden. "Es kann sich auf Dauer nicht ausgehen, dass wir einen Rekord an offenen Stellen verzeichnen und zeitgleich rund 270.000 Menschen arbeitslos sind."

Für die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) ist konsequente Vermittlung das Gebot der Stunde. "Mit deutlich mehr als 200.000 offenen Stellen auf der AMS Plattform 'Alle Jobs' gibt es schon fast so viele offene Stellen wie Arbeitslose," kommentiert WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Angesichts des steigenden Fachkräftemangels müsse man auch die "Beschäftigungsanreize" erhöhen. So sei etwa die Zuverdienstmöglichkeit während der Arbeitslosigkeit in vielen Fällen ein Hindernis für die Aufnahme einer regulären Beschäftigung. Auch müsse die Mobilität am Arbeitsmarkt deutlich gesteigert werden, etwa durch Ausbau der überregionalen Vermittlung und bessere Unterstützung für jene, die bereit sind, überregional einen Arbeitsplatz anzunehmen. Das gelte genauso für den Lehrstellenmarkt mit einem großen Ost-West-Gefälle: Österreichweit übersteigt die Zahl der offene Lehrstellen die Zahl der Lehrstellensuchenden per Ende August um 605. In Wien hingegen gibt es wesentlich mehr Lehrstellensuchende (3500) als offene Lehrstellen (560). Das Vermittlungsprojekt b. mobile sollte ausgebaut werden.

(APA)

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