Die Bundesregierung in Berlin erklärt Österreich zum Hochrisikogebiet, doch auch im eigenen Land entgleitet die Situation. Auch Frankreich verschärft Regeln für Einreisen aus Österreich.
Wien/Berlin. Koalitionsverhandlungen hin, CDU-Personalien her: Auch in Deutschland ist die Coronakrise wieder mit aller Wucht zurückgekehrt, samt dramatischen Appellen angesichts einer bevorstehenden Überlastung der Intensivstationen im Südosten des Landes und heftigen Kontroversen um 2-G-Maßnahmen und eine Impfpflicht fürs Gesundheitspersonal.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), sparten bei ihrer Pressekonferenz nicht mit drastischen Worten. Spahn sprach von einem „bitteren Dezember“, Wieler davon, keine Silvesterparty zu besuchen. Der RKI-Chef warnte eindringlich: „Es ist fünf nach zwölf.“ Olaf Scholz, Finanzminister und Kanzler in spe, hatte zuvor im Bundestag erklärt: „Wir müssen unser Land winterfest machen. Wir brauchen eine Impfkampagne, mehr Impfzentren und Vorsichtsmaßnahmen am Arbeitsplatz.“
Österreich Hochrisikogebiet
Spahns Einstufung Österreichs als Hochrisikogebiet ab Sonntag inklusive Quarantänepflicht für Ungeimpfte bei der Einreise nach Deutschland traf die heimische Tourismusindustrie just vor Beginn der Wintersaison. Während Michaela Reitterer, die Chefin der Hoteliervereinigung, über eine „atmosphärische Katastrophe“ klagte und Hoteliers in Wintersportregionen eine Stornowelle befürchten, üben sich andere angesichts der 2-G-Regel in Gelassenheit.
In Berlin präsentierte Wieler eine rot bis tiefrot gefärbte Karte der Hotspots in Deutschland und eine Gleichung anhand von derzeit täglich rund 50.000 Neuinfektionen – dem bisherigen Coronarekord. „Von diesen 50.000 kommen 3000 Patienten in Spitalsbehandlung, 350 auf Intensivstationen, und 200 werden sterben.“
Jeder dritte Coronapatient über 60 Jahre auf den Intensivstationen ist inzwischen geimpft, in den Pflegeheimen bahnt sich eine neuerliche Krise an. Erst bei einer Immunisierung von 90 Prozent der Bevölkerung, so Wieler, sei die Situation unter Kontrolle.
„Von einem Ende der Pandemie sind wir meilenweit entfernt“, ist der Virologe Christian Drosten überzeugt. Mittlerweile habe es das Land nicht mehr mit einer „Pandemie der Ungeimpften“ zu tun. Sein Rezept: Lockdowns, Auffrischungsimpfungen, Impflücken schließen.
Spahn hat zu lang mit einer Aufforderung zu einer Auffrischungsimpfung für alle gezögert und ist erst nach einem Gespräch mit seinem israelischen Kollegen umgeschwenkt. Schleichend und unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit, hatte sich die neue Coronawelle aufgebaut, während die Politik mit Wahlkampf und Koalitionsgesprächen beschäftigt war.