Jahresrückblick

Ein bürgerlicher General für den ORF

(c) Die Presse/Daniel Novotny
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Alexander Wrabetz wurde als Generaldirektor von Österreichs größtem Medienhaus abgelöst. Er amtiert noch bis Jahresende – aber sein Nachfolger Roland Weißmann hat längst die Weichen gestellt.

Nach seiner letzten, knapp gewonnenen Wahl im August 2016 hatte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz noch selbstbewusst verkündet: „Wenn ich etwas kann, ist es Mehrheiten finden“. Heuer ist ihm das nicht mehr gelungen. Das Votum des überwiegend politisch besetzten Stiftungsrates am 10. August ging klar gegen gegen Wrabetz und für seinen Herausforderer Roland Weißmann aus. Die Gründe dafür waren politischer Natur: Wrabetz gilt als SPÖ-nahe, der bisherige Vizefinanzdirektor Weißmann als ÖVP-nahe – und im obersten ORF-Gremium, dem Stiftungsrat, halten die Bürgerlichen derzeit die Mehrheit.

Damit endet eine Ära: 14 Jahre leitete Wrabetz den ORF, mit durchwachsener Bilanz. Er führte den Informations- und Kultursender ORF III ein, landete einige Hits wie die „Landkrimi“- und „Stadtkomödie“-Reihe und Flops wie „Chili“ mit Dominic Heinzl. Und er traf eine der wichtigsten Entscheidungen für den ORF: Nämlich, dass dieser nicht in einen Neubau übersiedelt, sondern alle Wiener Standorte am nicht gerade zentral gelegenen Küniglberg zusammenführt werden bzw. bereits wurden.

Auch auf Weißmann kommen wichtige Entscheidungen zu. Die ersten hat er bereits getroffen und damit die Weichen für den künftigen ORF gestellt: mit der Wahl seiner vier zentralen Direktoren. Auch bei diesen wurde munter über die politische Schlagseite spekuliert. Neuer Technik-Direktor wird Harald Kräuter, der – wie Weißmann selbst – von dem ehemaligen bürgerlichen ORF-Finanzdirektor Richard Grasl gefördert wurde. Auf einem grünen Ticket steigt Eva Schindlauer ins Direktorium auf: Die kaufmännische Geschäftsführerin von ORF III wird die ORF-Finanzen verwalten. Ingrid Thurnher, der seit Ewigkeiten das Etikett „bürgerlich“ umgehängt wird, übernimmt die Leitung der Radios. Nicht so leicht einordnen lässt sich Stefanie Groiss-Horowitz, die Programmdirektorin. Bevor sie Senderchefin von Puls4 und Puls24 wurde, war sie beim ORF – und entwickelte etwa das Infotainment-Magazin „Wie bitte?“, das inzwischen eingestellt wurde.

Wer wird FM4 leiten? Und wer den zentralen Newsroom?

Einige wichtige Posten sind noch offen, zuletzt wurde etwa die Leitung von FM4 fixiert. Dem viel kritisierten Jugendsender dürften einige Veränderungen bevorstehen. Mit 3,4 Prozent Reichweite erreicht FM4 nicht einmal ein Drittel von Ö1. Doroteja (Dodo) Roščić, verheiratete Gradištanac, wird Senderchefin. Beschlossen hat das noch Wrabetz - in Abstimmung mit Weißmann.

Zentral für die Zukunft des ORF ist wohl die Besetzung der leitenden Funktionen in dem neuen multimedialen Newsroom am Küniglberg: Ab Mitte 2022 sollen hier die Nachrichtenformate des ORF entstehen. Man will damit effizienter werden, Doppelgleisigkeiten vermeiden – aber kann die Politik dadurch leichter intervenieren? Wie unabhängig bleiben die einzelnen Sendungen und Sender? Das ist noch nicht klar.

Im Vorfeld der Wahl äußerte Wrabetz noch die Absicht, das Führungsteam selbst zu bestimmen und nannte auch Namen. Darunter jenen des „ZiB 2“-Moderators Armin Wolf, ein rotes Tuch für viele Bürgerliche. Nun dürfte Wrabetz – möglicherweise im Hinblick auf seine eigene berufliche Zukunft – die Entscheidung über den Newsroom aber doch seinem Nachfolger überlassen. Der ORF-Redakteursausschuss warnte schon prophylaktisch vor „journalistischem Einheitsbrei“. Gerichtet war dieser Appell dezidiert an das künftige ORF-Führungsteam. Vor seiner Wahl betonte Weißmann: „Ich fühle mich der Unabhängigkeit und Objektivität verpflichtet“. Im kommenden Jahr wird er Gelegenheit haben, dieser Absichtserklärung Taten folgen zu lassen.

Zur Person

Roland Weißmann stammt aus Linz (*16. März 1968). Er studierte Publizistik und Geschichte in Wien und startete seine ORF-Karriere im NÖ-Landesstudio St. Pölten. Er war 15 Jahre lang Reporter, Journalist und Sendungsverantwortlicher im Radio und Fernsehen, bevor er in den kaufmännischen Bereich wechselte.

Seit zehn Jahren leitet er als Chefproducer die TV-Finanzen, 2017 wurde er zum stellvertretenden kaufmännischen Direktor des ORF befördert. Seit Juli 2020 ist er Projektleiter des ORF-Player.

Im August 2021 wurde er zum neuen Generaldirektor des ORF gewählt. Er tritt sein Amt mit 1. Jänner an.

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