Transparenz und Offenheit sollten zur Kirche gehören, hieß es vonseiten des Erzbischofs Ludwig Schick. Er fordert eine „geistig-geistliche“ Erneuerung der Kirche.
Massive Veränderungen in der katholischen Kirche fordert der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Im Interview mit dem "Fränkischen Tag" (Samstag) schloss er einen Rücktritt laut Kathpress nicht aus, falls er Fehler im Kontext des Missbrauchsskandals begangen habe. Zur Diskussion um den emeritierten Papst Benedikt XVI. sagte Schick, dass die ganze Wahrheit "auf den Tisch" müsse. Unterstützung erhielt er von Kollegen.
Benedikt habe als Präfekt der Glaubenskongregation und später als Papst viele gute Initiativen für die Aufklärung von sexuellem Missbrauch ins Leben gerufen. "Als Erzbischof von München und Freising und auch nach dieser Zeit hat er Fehler begangen und Schuld auf sich geladen", so der Erzbischof. Der emeritierte Papst solle "zu den Fehlern, dem Versagen und der Schuld stehen", dürfe jedoch "auf seine guten Initiativen und Leistungen" hinweisen.
Forderung nach systemischem Wandel
Schick forderte systemische Veränderungen in der Kirche, auch im Vatikan. "Die Leitungsämter in der Kirche von Bischöfen, Pfarrern und Seelsorgern sowie in den Pfarrverwaltungen und Ordinariaten sollten auf Zeit vergeben werden, zum Beispiel sieben Jahre", sagte er. Begleitet und kontrolliert werden sollten sie von Beratungs- und Aufsichtsgremien, die auch "entscheidend mitreden" sollten, ob die Amtszeit um eine weitere Periode verlängert wird.
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Gleichzeitig müssten demokratische Mitbestimmungsstrukturen in der Kirche gestärkt werden. "Was auf Pfarr-, Seelsorge- und Ordinariatsebene eingeführt wird, das muss auch in der Zentralverwaltung der Kurie in Rom stattfinden", so Schick. Der synodale Prozess des Papstes und der Synodale Weg in Deutschland gingen in diese Richtung.
Kirche der Wahrheit und Gerechtigkeit
Grundlage aller Veränderung müsse eine "geistig-geistliche Erneuerung" sein, betonte der Erzbischof. Was nicht mit dem Evangelium und der Person Jesu Christi vereinbar sei, müsse sowohl im eigenen Leben als auch in den Strukturen der Kirche überwunden werden. "Zur geistig-geistlichen Erneuerung gehört, dass wir eine Kirche der Wahrheit und der Gerechtigkeit sind", so Schick. Es dürfe nichts vertuscht oder schöngeredet werden. "Transparenz und Offenheit gehören zur Kirche."
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger zeigte sich ebenfalls erschüttert über die Ergebnisse des Münchner Missbrauchsgutachtens. "Ein weiteres Mal wird die Dimension dessen sichtbar, was Missbrauch in der katholischen Kirche angerichtet hat und was es für die Gläubigen auslöst und an Vertrauensverlust mit sich bringt", sagte er der "Badischen Zeitung" (Samstag). Burger forderte einen "umfassenden kirchlichen Kulturwandel". Die Kirche habe auch durch die Diskriminierung Homosexueller "Schuld auf sich geladen" und müsse ihr Arbeitsrecht überarbeiten.
Erzbischof erwartet Entschuldigung Benedikts
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch äußerte sich ebenfalls kritisch zu den jüngsten Aussagen des früheren Papstes. Er erwarte, dass Benedikt XVI. um Entschuldigung bitte. Benedikt XVI. hatte vergangene Woche seine Angabe korrigiert, er habe als Erzbischof an einer wichtigen Sitzung nicht teilgenommen, in der es um den Einsatz eines Missbrauchspriesters aus der Diözese Essen in Bayern ging. Für Kritik hatten außerdem seine Äußerungen zu einem Priester gesorgt, der vor minderjährigen Mädchen sexuelle Handlungen vorgenommen hatte.
Im Hinblick auf die Initiative #OutInChurch, bei der sich Anfang der Woche 125 queere Menschen im Dienst der Kirche öffentlich geoutet hatten, versicherte Schick, dass in der Erzdiözese Bamberg alle Menschen, gerade die Hauptamtlichen, angstfrei leben und arbeiten könnten. "Bei Problemen bezüglich sexueller Orientierung, Scheidung und Wiederverheiratung etc. haben wir immer versucht, Lösungen zu finden. Das werden wir auch in Zukunft fortsetzen", kündigte Schick an. Wenn queere kirchliche Mitarbeiter sich outeten, hätten sie nicht mit Kündigung zu rechnen.
Auch Erzbischof Koch und die Berliner Caritas sprachen sich für eine Reform des Arbeitsrechts aus. "Alle queeren Mitarbeitenden brauchen Rechtssicherheit. Sie brauchen Sicherheit, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht verlieren - egal, wer gerade an der Leitung ist", sagte Caritas-Direktorin Ulrike Kostka dem rbb.
(APA)