Um sechs Milliarden Euro hofft Brüssel, ein weltumspannendes System von Kleinsatelliten lancieren zu können, das der Union ab 2028 volle strategische Autonomie in der Kommunikation verleihen soll.
Nach fast einem Jahrzehnt fruchtloser Überlegungen sieht die Europäische Kommission nun den Zeitpunkt gekommen, einen großen Wurf zu präsentieren. Sie möchte bis zum Jahr 2028 dafür sorgen, dass Europa unabhängig von Drittstaaten und von privaten Konzernen der Silicon-Valley-Milliardäre Elon Musk und Jeff Bezos satellitengestützte Telekommunikation betreiben kann: schnelles Internet, das mittels Quantentechnologie sicher verschlüsselt und kraft eines den gesamten Erdball umspannenden Netzes von Hunderten kleinen Satelliten in verschiedenen Umlaufbahnen lückenlos funktioniert.
Der am Dienstag vorgestellte Verordnungsentwurf umschreibt die Anwendungsbereiche dieses Satellitenprojekts: Überwachungsoperationen, Krisenmanagement, einschließlich des Zivilschutzes und humanitärer Operationen bei Natur- oder menschengemachten Katastrophen, sowie die Verknüpfung und der Schutz von Schlüsselinfrastruktur. Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass die EU das Eigentum an sämtlicher Infrastruktur hält, die zur Errichtung und zum Betrieb des neuen Satellitensystems erforderlich ist. „Es ist entscheidend für die Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten und für die Sicherheit und Integrität von staatlichen Diensten, dass die Bestandteile des Programms, wo es möglich ist, vom Staatsgebiet der Mitgliedstaaten aus lanciert werden“, heißt es in dem Text.
Frei von USA und Russland
Sprich: Kooperationen mit den USA oder Russland sind hier nicht zu erwarten. Allerdings sollen die Bestandteile des Netzwerks nicht nur vom Raumfahrtzentrum Kourou in Französisch-Guyana aus in die Erdumlaufbahn geschossen werden. „Mikrostartanlagen“ („Microlaunchers“) sollen die nötige Flexibilität schaffen.
Als Vorbilder werden in den Fußnoten des Verordnungstextes das System „Transport Layer“ der United States Spaces Development Agency mit seinen 300 bis mehr als 500 Satelliten auf 750 bis 1200 Kilometer Höhe sowie „Sfera“ der russischen staatlichen Agentur Roscosmos mit 640 Satelliten auf 870 Kilometer Höhe genannt.
Knappe Frequenzen
Der EU-Kommissar für Binnenmarkt, Dienstleistungen, Weltraum und Verteidigung, Thierry Breton, ein früherer Vorstandschef französischer Hightech-Konzerne und Raumfahrtfan, der selber mehrere Science-Fiction-Romane verfasst hat, ist die treibende Kraft hinter diesem Projekt. Kritische Fragen wischte er am Dienstag eher ungeduldig beiseite. Ist es überhaupt noch physikalisch möglich, ausreichende Frequenzen für das neue EU-Satellitennetz zu finden? „Wir wissen, wo wir diese Frequenzen finden können. Für mich ist das kein Problem. Aber um das zu finalisieren, müssen wir mit den Mitgliedstaaten verhandeln.“
Und werden die veranschlagten sechs Milliarden Euro bis 2027 reichen, von denen 2,4 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt, der Rest von den Mitgliedstaaten und privaten Teilhabern kommen sollen? Zum Vergleich: Das auf zwei Dutzend Satelliten fußende Navigationssystem Galileo hat mehr als 13 Milliarden Euro gekostet. „Das sind ganz kleine Satelliten, nicht Mastodonten wie Galileo, die ein oder zwei Tonnen wiegen“, sagte Breton. „Es wird ein ganz anderes System, als es Galileo ist. Wir sind zuversichtlich, dass der Betrag reichen wird.“