ÖVP-Chats

"Rote bleiben Gsindl": Mikl-Leitner entschuldigt sich für SMS

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) APA/GEORG HOCHMUTH
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"So sollte man weder miteinander noch übereinander reden", räumt Niederösterreichs Landeshauptfrau nach Bekanntwerden einer SMS ein, in der sie über die SPÖ schrieb.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat sich für die am Montagabend publik gewordenen Anti-SPÖ-SMS aus der Zeit der rot-schwarzen Koalition entschuldigt. "So sollte man weder miteinander noch übereinander reden. Und ich möchte mich ausdrücklich bei jeder und jedem einzelnen entschuldigen, die oder der sich von dieser Nachricht aus der Vergangenheit angesprochen und beleidigt fühlt", schrieb Mikl-Leitner in einer Aussendung.

Der "Standard" hatte davor SMS aus dem Frühjahr 2016 veröffentlicht, in denen Mikl-Leitner im Zuge einer koalitionären Debatte um die Flüchtlingskrise und die Reform des Staatsschutzes an ihrem damaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller geschrieben hatte: "Rote bleiben Gsindl! Schönen Schitag!" Die SPÖ reagierte empört, der niederösterreichische Landesparteivorsitzende Franz Schnabl, mit dem die ÖVP im Land ein Arbeitsübereinkommen unterhält, forderte eine "öffentliche Entschuldigung".

Die kam dann auch: "Ich habe meine Lehren aus der Arbeit in der damaligen Koalition während der Flüchtlingskrise gezogen - nämlich, das Gegeneinander zu überwinden und auf die Zusammenarbeit zu setzen. Gerade in der aktuellen Arbeit im Kampf gegen die Pandemie, sollten sich das alle besonders bewusst vor Augen führen", so Mikl-Leitner. Die Stimmung in der damaligen Koalition, in der sie Innenministerin war, sei schlecht gewesen. "Es herrschte ein sehr rauer Ton und viel Misstrauen. Übrigens nicht nur zwischen den Koalitionsparteien, sondern auch innerhalb der Parteien - auch in der ÖVP. Das habe ich seit damals ja auch schon mehrfach offen kritisiert. Und daraus habe ich damals bei meinem Wechsel nach Niederösterreich auch meine Lehren gezogen. Für mich hat sich aus dieser Zeit ganz klar gezeigt, dass das Gegeneinander, der Streit und das Misstrauen nicht nur die Regierungszusammenarbeit, sondern die Entwicklung des ganzen Landes lähmt", so die heutige Landeshauptfrau Niederösterreichs.

Illegal abgesaugte Nachrichten?

Die Nachrichten aus dem Handy Kloibmüllers, die nun stückerlweise veröffentlicht werden, sollen illegal abgesaugt worden sein: Nachdem bei einem Kabinettsausflug im Jahr 2017 sein Handy im Wasser gelandet war, übergab es der damalige Referent Michael Takacs zur Reparatur an einen IT-Experten im Verfassungsschutz. Der soll laut Staatsanwaltschaft Wien eine Kopie des Smartphone-Inhalts angefertigt und diese verbreitet haben. Jetzt, rund um den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, kursieren zahlreiche Chats aus Kloibmüllers Handy.

Sie zeigen laut "Standard" etwa die Beunruhigung einer Referentin darüber, dass am Server der Kabinettsmitarbeiter "unter Herr Bundesminister Sobotka eine Liste liegt, die Interventionen heißt und noch dazu alle Interventionen mit Stand anführt". Zwar wolle Sobotka das, aber "ist es (-> Aktenvorlage) gescheit?". Kloibmüller antwortete: "Na ist es net da muss i reden."

Welche "Interventionen" dort angeführt waren, ist unklar. Ein Fall aus dem Jahr 2017 wird allerdings zitiert: Damals wurde der Posten der Wiener Vizelandespolizeidirektorin vakant. Als Nachfolgerin bewarb sich Andrea Jelinek. Die ÖVP habe sie allerdings verhindert, weil Jelinek der roten Reichshälfte zugeordnet worden sei. So soll sich die ÖVP um eine Gegenkandidatin oder einen Gegenkandidaten gekümmert haben. Die Besetzung des Postens beschäftigte sogar Innenminister Wolfgang Sobotka. Was Kloibmüller von der Idee halte, Jelinek gewähren zu lassen und sich dafür vom damaligen Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) einen Wunsch erfüllen zu lassen?

Kloibmüller dachte selbst eine Zeit lang über einen Deal nach, hielt den dann offensichtlich aber nicht für notwendig: "Aber wie ich gesehen habe, dass wir unseren Mann durchbringen, dachte ich, den Sozen zu zeigen, wo der Hammer hängt."

Von Interventionen nichts bemerkt?

Jelinek selbst sagt zum "Standard", dass sie von all diesen Interventionen im Hintergrund nichts bemerkt habe: "Aber wenn jemand so intensiv daran arbeitet, dass jemand etwas nicht wird, dann kann diejenige offensichtlich etwas." Sie habe sich auf normalem Wege beworben und "nie ein Parteibuch (gehabt), von keiner Partei". Jelinek betont allerdings, dass sie dem ÖVP-Umfeld nie zurechenbar gewesen sei. Von einer Partei sei sie nie besonders gefördert worden.

Jelinek will unterstrichen wissen, dass Pürstl sie nicht von ihrer Bewerbung abgebracht habe. "Wir kennen einander seit vielen, vielen Jahren, und er weiß, dass das sinnlos ist", sagt sie. Aber es habe sie sehr getroffen, dass sie 2017 nicht Vizepräsidentin wurde. Welche Rolle spielt das Parteibuch bei Postenbesetzungen im Innenressort und der Polizei? "Schauen Sie sich die Besetzungen an, dann werden Sie es wissen", sagt die erfahrene Funktionärin, die seit 2013 die Datenschutzbehörde leitet.

„Alles andere als respektvoll": Opposition empört

Die SPÖ fordert unterdessen eine Reaktion von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). "Er ist der Kanzler, er muss zu diesem Sittenverfall Stellung nehmen“, meinte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Die Entschuldigung von Mikl-Leitner ist für ihn "nicht einmal das Papier wert“, auf dem es geschrieben wurde. "Wir haben einen weiteren Tiefpunkt erlebt in dieser Republik", meinte Deutsch weiter. "Das ist ein ungeheurer Skandal und eine Diffamierung, ein Herabwürdigen von Menschen durch eine früher einmal staatstragende Partei, wenn deren Repräsentanten andere als Tiere, Pöbel und jetzt als 'rotes Gsindl' bezeichnen." Gleichzeitig zeige dies, "wie verkommen diese Partei ist, der 35 Jahre Regierungstätigkeit zu Kopf gestiegen ist".

Auch die Neos zeigten sich schockiert über die Wortwahl. Das politische Klima sei in den vergangenen Jahrzehnten immer von einem gewissen Respekt geprägt gewesen, befand Generalsekretär Douglas Hoyos - unter ÖVP-Obmann Sebastian Kurz sei dies jedoch komplett verloren gegangen. Der "neue Stil" der türkisen Volkspartei sei "alles andere als respektvoll".

"Wenn SPÖ-Wähler schon als Gsindl diffamiert werden, dann will ich gar nicht wissen, wie über andere politische Mitbewerber bei der ÖVP hergezogen wird", stellte Alexander Murlasits, Landesparteisekretär der FPÖ Niederösterreich, in einer Aussendung fest. Er glaube zudem nicht, "dass der Sager aus der aufgeheizten Stimmung infolge der Flüchtlingskrise entstanden ist". Die neuesten Chat-Enthüllungen seien "der Beweis dessen, was viele in unserem Land längst wissen", so Murlasits. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sei "in der ÖVP-Korruptionsmaschinerie und beim Postenschacher mittendrin statt nur dabei".

Als "Symptom eines politischen Kulturverlustes" hat indes Helga Krismer, Landessprecherin der niederösterreichischen Grünen, den "Gsindl"-Sager bezeichnet. Die von der Landeshauptfrau nun nachgereichte Entschuldigung sei allerhöchstens "halbherzig". Sie ändere aber vor allem nichts am "entlarvenden Sittenbild von Arroganz, Freunderlwirtschaft, Sumpf und Filz im Land. Dass solche Aussagen überhaupt fallen, ist bezeichnend für ein politisches Denken, eine politische Kultur und einen politisch wie menschlichen Stil, der für uns als Grüne untragbar ist".

(APA)

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