Johannes Peterlik pflegte mit mutmaßlich korrupten Ex-BVT-Beamten einen zweifelhaften Informationsaustausch: Von einer Nervengiftformel, einem Waffenpass, Telefonüberwachungen und gut dotierten Posten.
Johannes Peterliks Fall ist in der Geschichte des Außenamts einzigartig. Er wurde 2017 unter Außenministerin Karin Kneissl auf FPÖ-Ticket zum Generalsekretär berufen. 2019 flog die FPÖ nach dem Ibiza-Skandal aus der Regierung, Peterlik wurde als Botschafter nach Indonesien entsandt. Von dort wurde er im Herbst zurückbeordert und suspendiert. Grund: Über ihn soll die geheime Nervengiftformel Nowitschok den Weg zu Wirecard-Vorstand Jan Marsalek gefunden haben.
Aber da ist noch mehr: Es geht um einen Waffenpass, der über mutmaßlich korrupte BVT-Beamte besorgt werden sollte. Auch sonst bat Peterlik um viele, zweifelhafte Gefallen. Der Lohn: Unter ihm sollte mit seinen neuen Vertrauensleuten eine Abteilung eingerichtet werden.
Ein dicker Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft Wien widmet sich den Machenschaften dreier mutmaßlich korrupt gewordener Ex-Verfassungsschützer. Sie hinterließen ihre Spuren in vielen großen Skandalen: Sie zogen Fäden in der BVT-Affäre, versuchten den Ibiza-Skandal Richtung ÖVP zu drehen und arbeiteten für Wirecard-Chef Jan Marsalek, dem sie zur Flucht verhalfen.
Auch Johanns Peterlik kennt das BVT-Trio und bediente sich ihrer Dienste. Die Verbindung: Seine Frau, Ursula Peterlik, arbeitete im BVT und trat gemeinsam mit ihren Freunden als Hauptbelastungszeugin in der BVT-Affäre auf. Die erhobenen Vorwürfe haben sich fast vollständig in Luft aufgelöst.
Familie Peterlik hielt den Kontakt zu den alten BVT-Kollegen, wie der „Presse“ vorliegende Chat-Auswertungen aus dem Handy des Ex-Beamten Egisto Ott zeigen. Bei ihm hatte es nach der Flucht Marsaleks eine Razzia gegeben. Der Mann hatte laut Protokollen beim Eintreffen der Beamten versucht, sein Handy zu vernichten. Es ist ihm nicht gelungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen einer Vielzahl von Delikten: Sie reichen von Bestechung bis Russlandspionage. Wegen letzterem wurde er 2017 aus dem BVT entfernt.
Die Nowitschok-Formel
Ex-Generalsekretär Peterlik war mittendrin statt nur dabei. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen sieben verschiedener Faktenkreise gegen ihn. Einer ist eben die Weitergabe der Nowitschok-Formel, die schlussendlich bei Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek landete, der sich damit brüstete. Die Ermittler haben stichhaltige Gründe anzunehmen, dass das Dokument über Peterlik und Ott bei ihm gelandet sein soll. „Die Gefahren, die durch ausländische Spionageaktivitäten in Österreich entstehen, sind augenscheinlich immanent. Die widerrechtliche Weitergabe von sensiblen und klassifizierten Informationen und Dokumenten, die letzten Endes ihren Weg zu Jan Marsalek fanden, wirft Österreich bei der internationalen Zusammenarbeit erneut massiv zurück und schädigt das Ansehen unserer Republik in einem schweren Ausmaß“, ist im Akt zu lesen.
Aber auch sonst wandte sich Peterlik mit vielen Anliegen an Ott. Etwa, weil er einen Waffenpass haben wollte. Die Berechtigungen zum Führen einer Waffe wurden gesetzlich massiv eingeschränkt – es ist schwierig, an diese Dokumente zu kommen. Am 20. 12. 2018 schreibt Peterlik an Ott: „Ich habe heute meinen Antrag auf Waffenpass (. . .) abgegeben. Wenn du so nett sein könntest und LVT-Chef Zwettler mündlich informierst. Ott: „Habe Erich Zwettler informiert. Er geht gleich zum zuständigen Abteilungsleiter“. Zwettler war bis zum Wiener Terroranschlag im November 2020 Leiter des Wiener Landesverfassungsschutzes. Er musste aufgrund von Versäumnissen rund um den Anschlag gehen. Er wird in der Ott-Causa als Beschuldigter geführt. Zwei Monate später schreibt Peterlik wieder: „Kannst Du bitte bei Gelegenheit nochmals nachfragen wegen meines Waffenpasses. Habe noch keine Antwort.“ Ott: „Zwettler Erich wird dich anrufen. Er hat Akt am Tisch, braucht aber irgendein Schlupfloch.“ Daraufhin sendet Ott die Nummer von Zwettler – und tatsächlich wurde Peterlik dann ein Waffenpass ausgestellt.
Zwettler, Peterlik und Ott werden als Beschuldigte geführt. Was mit „Schlupfloch“ gemeint sein soll, wollen alle drei nicht sagen. Die Anfragen der „Presse“ bleiben allesamt unbeantwortet.
Die Türkei-Achse
Als der österreichische Journalist Max Zirngast im September 2018 in der Türkei verhaftet wurde, wandte sich der Generalsekretär nicht an den ihm zur Verfügung stehenden Staatsapparat. Sondern wieder an Ott, der einst Polizeiattaché in der Türkei war: „Kannst du mir vertraulich herausfinden, was mit diesem Max Zirngast los ist. Womöglich ist er ja ein Agitator?“ Ott rapportiert, dass Zirngast eine Immobilie in der Türkei gekauft hat – und wo. Er berichtete, dass es bei Zirngast eine Telefonüberwachung gegeben habe, dass Wanzen eingesetzt wurden und dass es eine Observation gegeben habe. Er schreibt: „Schwer belastet. Auf ihn haben sie schon länger ermittelt. Auch das MIT (Geheimdienst)“. Woher Ott das weiß? Die Ermittler vermuten von einem ehemaligen türkischen Polizisten, der hier lebt, in der Community exzellent vernetzt ist – und sich als Historiker gibt. Auch bei ihm fand eine Hausdurchsuchung statt.
Ein anderes Mal will Peterlik wissen, ob eine bestimmte Nummer überwacht wird. „Kannst Du checken, ob die Nummer +43664350xxxx überwacht wird?“, schreibt er am 27. 2. 2020. Ott hilft mit Tipps, wie man herausfinden kann, ob man observiert wird. Ein anderes Mal möchte er von Ott, dass er für ihn beim „Provider“ herausfindet, wer ihn angerufen hat.
Und der Lohn? Peterlik soll Ott beauftragt haben, unter ihm als Generalsekretär eine neue Sicherheitsabteilung zu schaffen. Ein fertiges Organigramm dazu wurde auf Otts Handy gefunden. Wie es aussieht, sollten den Hauptbelastungszeugen aus der BVT-Causa und einigen Infozuträgern aus dem Innenministerium hübsche, gut bezahlte Positionen zugedacht werden.