Ukraine-Krieg

Voreilige Siegesmeldung: "Ukraine ist nach Russland zurückgekehrt"

A view shows central Kyiv
A view shows central Kyiv(c) REUTERS (VALENTYN OGIRENKO)
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Die russische Staatsagentur veröffentlichte irrtümlich einen Artikel, in dem ein rascher Sieg gefeiert wurde. Was verrät er über die russischen Pläne für die Ukraine?

Mit einem 64 Kilometer langen Militärkonvoi steht die russische Armee vor Kiew, das sie offenbar - wie andere Städte, etwa Charkiw und Mariupol - einkesseln will. Von einem anderen Szenario, nämlich einem schnellen Sieg, ging der Kreml offenbar vor Kriegsbeginn aus. Diesen Schluss legt ein Artikel nahe, der versehentlich auf russischen Staatsmedien veröffentlicht wurde. In dem offenbar vorbereiteten Text wird ein vereinigtes neues Russland bejubelt – zu dem nun auch die Ukraine gehöre.

Der Kommentar wurde von Pjotr Akopow, Kolumnist der Staatsagentur Ria Nowosti verfasst und trägt den Titel "Russlands Angriff und die neue Welt". Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge ging der Text am Samstag – nur drei Tage nach dem Einmarsch Russlands – online. Bei Ria Nowosti war der Text am Montag nicht mehr zu finden. Davor war er nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur mehr als 24 Stunden online, bevor er gelöscht wurde. Über den Dienst Webarchive ist er noch abrufbar (Link siehe unten).

"Die Tragödie von 1991"

In dem Text heißt es: "Wladimir Putin hat ohne Übertreibung eine historische Verantwortung übernommen, indem er entschieden hat, die Lösung der Ukraine-Frage nicht künftigen Generationen zu überlassen." Russland stelle "seine Einheit wieder her – die Tragödie von 1991, diese schreckliche Katastrophe in unserer Geschichte, ihr unnatürlicher Bruch, wurde überwunden."

Kolumnist Akopow fragt: Habe "ernsthaft jemand in den alten europäischen Hauptstädten in Paris und Berlin geglaubt, dass Moskau Kiew aufgeben würde?" Doch: "Jetzt ist dieses Problem weg - die Ukraine ist nach Russland zurückgekehrt."

Der Kolumnist verteidigt den Zeitpunkt des Krieges, der seiner Ansicht nicht später hätte mehr stattfinden können: Die Ukraine in ihrer jetzigen Form werde zunehmend zum Außenposten für den Westen. In einem Jahrzehnt hätte der (vermeintliche) Sieg so nicht stattfinden können, da sich die Ukraine zu sehr von Russland entfernt habe – durch "Umkodierung" und "Entrussifizierung".

Ein Teil "der russischen Welt"

Er schreibt mehrfach von einer russischen Welt, bestehend aus Belarus, Kleinrussland (bezieht sich auf das Gebiet der heutigen Ukraine) und Großrussland. Wie genau dieses Russland aussehen werde, lässt der Kolumnist offen: "Das bedeutet nicht, dass seine Staatlichkeit aufgelöst wird, aber er wird reorganisiert, wiederhergestellt und in seinen natürlichen Zustand eines Teils der russischen Welt zurückgeführt", heißt es im Text. Akopow bemüht als Vergleich dieser "Rückkehr" der Ukraine nach Russland die Vereinigung von Ost- und Westdeutschland.

Auch auf die Sanktionen geht der Text ein: "Kein noch so großer westlicher Druck auf Russland wird zu irgendetwas führen", heißt es in dem Text. "Um uns zu bestrafen, denkt der Westen, dass die Beziehungen zu ihm von entscheidender Bedeutung für uns sind. Aber das war schon lange nicht mehr der Fall". Die Welt habe sich nämlich verändert: Er nennt China, Indien, Lateinamerika, Afrika, die islamische Welt und Südostasien als neue Machtzentren: "Niemand glaubt, dass der Westen die Weltordnung anführt, geschweige denn die Spielregeln festlegt."

Differenziert nicht zwischen Ost- und Westukraine

Insgesamt liest sich der Jubelkommentar, als wäre man davon ausgegangen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Ukrainer die Vereinigung mit Russland begrüßen würde. Akopow nimmt außerdem keine Differenzierung zwischen Osten und Westen der Ukraine vor. Er schreibt zwar davon, dass die Operation eigentlich auf den Donbass begrenzt hätte sein sollen, geht dann aber von einem Sieg in der gesamten Ukraine aus.

>> Bericht in der "FAZ"

>> Abrufbar ist der Text hier

(APA/dpa/Red.)

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