Coronavirus

Kommissionsleiter Stöger zu Impfpflicht: "Herbst wieder relevanter Zeitraum"

Begleitet wurde die Bekanntgabe der Aussetzung der Impfpflicht von einem neuen Rekordwert an Neuinfektionen.
Begleitet wurde die Bekanntgabe der Aussetzung der Impfpflicht von einem neuen Rekordwert an Neuinfektionen.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die Regierung hat auf Basis des Berichts der Expertenkommission die Impfpflicht für vorerst drei Monate ausgesetzt. Ob sie danach doch wieder in Kraft tritt, wird von mehreren Faktoren bestimmt.

Anfang Februar ist sie in Kraft getreten: die allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus in Österreich. Knapp einen Monat danach - und noch bevor kontrolliert und bei Verstößen gestraft werden konnte -, hat die Regierung die Impfpflicht wieder ausgesetzt. Vorerst zumindest. Argumentiert wird dieser Schritt mit dem aktuellen Bericht der im Kanzleramt eigens für dieses Thema eingesetzten Expertenkommission. Demnach mache der aktuelle Verlauf der Pandemie die Verpflichtung nicht zwingend erforderlich, weshalb diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht verhältnismäßig sei, da es keine akute Überlastung des Gesundheitssystems gebe.

Als Vorsitzender der Kommission am 25-seitigen Report beteiligt ist bzw. war der Staats- und Medizinrechtler Karl Stöger. Am Donnerstag verteidigte er im Ö1-"Morgenjournal" die Entscheidung der Aussetzung, die zeitgleich mit der Bekanntgabe eines neuen Rekordwerts von Corona-Neuinfektionen getroffen wurde. So wurden am Mittwoch fast 50.000 neue Fälle gemeldet. Allerdings: „In diese Welle können Sie leider nicht erfolgreich hineinimpfen“, betonte der Jurist. Allerdings seien dies zwei Dinge, so der Jurist: „Das eine ist die jetzige Welle, das andere, was kann eine Impfpflicht, die jetzt durchgesetzt wird, wann erreichen."

Entscheidend bei der Beurteilung sei daher, zu welchem Zeitpunkt man ansetze, um eine bevorstehende Welle wirklich beeinflussen zu können. „Und das ist nach derzeitiger Schätzung im Herbst relevant.“ Es wäre schön gewesen, so Stöger, hätten sich mehr Menschen eher impfen lassen, „das hätte sicher einen gewissen Einfluss gehabt“. Leider sei das nicht der Fall gewesen, „von dem her fällt das jetzt unglücklich zusammen“.

Impfpflicht nur für Menschen ohne Immunschutz?

Nach Meinung der Experten wäre die aktuelle Umsetzung rechtlich nur bei Menschen möglich, die bisher weder geimpft noch genesen sind. Rund 600.000 würde dies betreffen, wie im Bericht festgehalten wird. Der Report zeige mehrere Möglichkeiten auf, wie man agieren könne, erläuterte Stöger. „Bei dieser Gruppe wäre die Impfpflicht ab jetzt verfassungsrechtlich möglich und kann durchaus sinnvoll sein“ - damit Betroffene bis zum Herbst drei Impfungen erreichen. Zugleich ginge es bei einem solchen Gesetzesvorhaben aber immer „um die Frage, gelindestes Mittel, letzte Maßnahme“. So würden neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass auch zwei Impfungen einen gewissen Schutz vor schweren Verläufen bieten würden. Dies bedeute, so Stöger, „für einzelne Personen ist es besser, drei Impfungen zu haben. Aber wenn es um den Schutz des Gesundheitssystems geht, erreichen auch zwei Impfungen etwas.“ 

Aber kommt die Impfpflicht nun doch im Herbst? Die Regierung betonte am Mittwoch, dass „das letzte Kapitel in Sachen Impfpflicht“ noch nicht geschrieben worden sei. Genau wie das Virus müsse man flexibel und anpassungsfähig bleiben, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Bedeutet so viel wie: Das Gesetz zur Impfpflicht bleibe zwar außer Kraft, bleibt aber weiter im Hintergrund bestehen. Wenn die Impfpflicht zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder erforderlich sei, könne man es wieder wirksam werden lassen.

Ob die Impfpflicht spätestens im September in Kraft tritt, wird von mehreren Faktoren bestimmt werden, ergänzte nun Stöger. Man bräuchte neue Daten, „um einzuschätzen, wie es weitergeht“. Was jedenfalls im Bericht festgehalten wird, ist, „dass wir bis zum Herbst möglich viel impfen müssen.“ Ob es bis dahin eine Impfpflicht brauche oder ausreichend viele Menschen bis dahin geimpft seien, hänge davon ab, wie es in den nächsten Monaten weitergehe. Einerseits brauche man neue Erkenntnisse, was den Verlauf der Erkrankungen betreffe, andererseits zur Immunität in der Bevölkerung.

„Gute Kommunikation“ wird im Bericht übrigens ebenfalls eingefordert. Denn leider, so Stöger, „ist die bisherige gesamte Pandemiepolitik nicht unbedingt von guter Kommunikation geprägt."

>>> Karl Stöger im Ö1-"Morgenjournal"

(Red. )

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